Was ist mit Auf- und Abstieg, wenn wegen Corona tatsächlich nichts mehr geht? Auch bei den Fildervereinen macht man sich darüber seine Gedanken und hat der ein oder andere bereits einen Vorschlag parat.

Lokalsport : Franz Stettmer (frs)

Filder - Erst war es der 31. März, dann der 20. April, und nun lautet die neueste Ansage: „Bis auf Weiteres“. Bis auf Weiteres, mithin unbestimmte Zeit, haben die drei Fußball-Landesverbände Baden-Württembergs ihre coronabedingte Wettbewerbspause verlängert. Was bleibt, sind viele Fragen, die derzeit keiner beantworten kann. Wird in dieser Saison überhaupt noch einmal gespielt? Falls ja, wann? Könnte eine Verlängerung in den Juli hinein die Lösung sein? Die sportrechtliche Grundlage hierfür, das immerhin, ist mittlerweile geschaffen. Auslaufende Spielerverträge hätten heuer ausnahmsweise über den eigentlichen Stichtag 30. Juni hinaus Bestand, wie der Deutsche Fußball-Bund in der vergangenen Woche beschlossen hat.

 

Was aber, wenn gar nichts mehr geht? Wenn die Zeit vollends davon läuft und nur noch der Abbruch der Runde bleibt? Wer steigt dann auf, wer ab? Oder kommt letztlich das ganze Spieljahr in den Schredder? Alle Zahlen auf null, eine Saison außer Wertung, kollektive Löschtaste? Von Verbandsseite heißt es, man arbeite „mit Hochdruck an verschiedenen Szenarien“, weiter unter Einbeziehung notgedrungener „möglicher Härtefälle“. Unsere Zeitung hat sich einstweilen bei Vereinen und Verantwortlichen umgehört. Ein Stimmungsbild mit eigenen Ideen – aber auch viel momentaner Ratlosigkeit.

„Es wird Opfer geben“

Für Klaus Kämmerer, den Trainer des SV Bonlanden, steht eines jedenfalls fest: „Ich bin froh, dass ich da nicht entscheiden muss.“ Erahnen kann er: Wie man es machen wird, „es wird Opfer geben“. Seine Mannschaft wäre auch eines, wäre vorzeitig Schluss. In diesem Fall büßten die Filderstädter durch Corona ihre Aufstiegschancen ein. Aktuell belegen sie in der Landesliga mit drei Punkten Rückstand zur Tabellenspitze den fünften Platz. Vor drei Wochen haben Kämmerer und die Seinen sich noch auf das spannendste Titelrennen seit Jahren gefreut. Nun ist Däumchendrehen angesagt. „Klar, es wäre schön, wenn es eine Möglichkeit geben würde, die Saison zu Ende zu spielen, gern auch mit Spieltagen unter der Woche“, sagt Kämmerer. Zugleich mag er die Angelegenheit nicht zu hoch gehängt wissen, denn: „Es gibt Sparten, die gerade ganz andere Probleme haben als wir Fußballer.“ Dennoch: auch die eigenen wollen gelöst sein. Beim Wie, da sieht Karl-Josef Deutelmoser, der Leiter der Staffel, in der die Bonlandener für gewöhnlich auf Torejagd sind, ein noch deutlich größeres Dilemma als Kämmerer. Die von jenem angedachten Werktag-Spieltage? Laut Deutelmoser kommen eben diese zumindest auf überbezirklicher Ebene kaum in Betracht. „Einem SC Stammheim zum Beispiel zu sagen, dass er an einem Mittwochabend 150 Kilometer nach Buch fahren soll, das geht nicht“, sagt er. „So etwas kann man im Amateurbereich von keinem verlangen.“ Aus seiner Sicht blieben als Termine also nur Wochenenden und Feiertage. Und demzufolge würde es selbst bei einer Verlängerung der Saison jetzt schon eng. Deutelmosers Hochrechnung: „Wenn es am 26. April tatsächlich wieder losgehen würde, könnten wie es mit Relegation bis 5. Juli hinkriegen.“ Alles darüber hinaus hielte er für „schwierig“. Nur: wer glaubt derzeit ernsthaft an den 26. April?

Ein Abteilungschef in Quarantäne

Sascha Krammer, der Abteilungsleiter des TSV Plattenhardt, tut es nicht. Vielleicht auch unter dem Eindruck dessen, dass er im Gegensatz zu vielen anderen mittlerweile Corona-Selbsterfahrung hat. Krammer befindet sich seit Mittwoch in häuslicher Quarantäne, nachdem seine Frau positiv getestet worden ist. Glück im Unglück: bei der besseren Hälfte lediglich ein leichter Schnupfen, bei Krammer selbst bislang keine Symptome.

Wie es sportlich weiter geht? „Das Einzige, was ich mir noch vorstellen könnte, ist, die Saison im Juni und Juli zu Ende zu bringen“, sagt Krammer. Fürs Erste ist im Weilerhau banges Warten – „eine blöde Situation“. Sollte das Spieljahr wegen Corona über die Wupper gehen, vor allem in Plattenhardt träfe es hart. Es ist die Saison, in der der Verein mehr denn je investiert hat für den Landesliga-Wiederaufstieg. Aktuell ist der Topfavorit nun nur Zweiter, bei einem weniger ausgetragenen Spiel einen Zähler hinter dem Überraschungsteam des SV Sillenbuch. Angesprochen ist damit ein Problem im Problem: die Variante, bei einem Saisonabbruch den Jetzt-Tabellenstand über Auf- und Abstieg entscheiden zu lassen, scheidet praktisch aus, haben die Teams doch eine unterschiedliche Zahl an Begegnungen absolviert. Sollten die Seinen am Ende ohne weitere Eingriffsmöglichkeit abermals scheitern, hielte Krammer das zwar für „keinen Weltuntergang“. Aber: „Super enttäuschend wäre es schon.“ Paulo Bayrak, einer der beiden Plattenhardter Trainer, hat seinem Sillenbucher Amtskollegen schon einmal Glückwünsche zukommen lassen. Beim Bäcker in Degerloch sind er und Zvonimir Topalusic sich unlängst begegnet. „Er hat mir da bereits zum Meistertitel gratuliert“, sagt Topalusic und lacht. Freilich: ganz ernst war das noch nicht gemeint. Noch nicht. Blieben er und seine Kicker tatsächlich kampflos oben, wüsste Topalusic gerade selbst nicht so recht, was er sagen sollte. „Klar ist, dass uns nichts passieren kann. Wir warten es jetzt einfach mal ab und tragen jede Entscheidung von Verbandsseite mit“, sagt er.

Saison über 18 statt zwölf Monate?

Wohl prima leben könnten sowohl die Beteiligten in Sillenbuch als auch in Plattenhardt mit dem Vorschlag, den ihr Pendant Karl-Heinz Fuhrmann von der Spvgg Möhringen hat. Jener lautete für den Fall eines Abbruchs: die Bestplatzierten aufsteigen lassen, zugleich keine Absteiger. Dass sich damit die Mannschaftszahlen in den Ligen erhöhten? Fuhrmann würde die sich daraus ergebende Mehrzahl an Spieltagen für die nächste Saison lösen, indem er die Runde im Januar beginnen ließe. Hieße: bis dahin Corona-Pause. 2021/2022 dann nicht in gehabter Form über einen Zeitraum von zwölf, sondern 18 Monaten. „Ich denke, das wäre die mannschaftsfreundlichste und am wenigsten schmerzhafte Version“, sagt Fuhrmann. Auch bliebe seiner tief im Tabellenkeller stehenden Mannschaft somit das Bezirksliga-Aus erspart. Ähnliche Überlegungen zum sportlichen Weiter hegt Michael Hilbert, der Abteilungschef des TSV Musberg. Er plädierte für den Fall, dass die Krisensituation in nächster Zeit keinen Fußball mehr erlaubt, dafür, „die jetzige Saison einzufrieren“. Die Gemeinsamkeit mit Fuhrmanns Plan: heuer dann gar kein Wettbewerbsfußball mehr. Der Unterschied: Hilbert wäre für eine Fortsetzung der aktuellen Runde dann von März im neuen Jahr. Hiernach würde die Saison 2019/2020 zur Saison 2019/2020/2021.

Unstrittig ist auch für ihn: „Ohne Einschnitte für den ein oder anderen wird es nicht gehen.“ Bei der Spvgg Stetten schließt sich derweil der Abteilungsleiter Jochen May der Fuhrmann-Idee an. „Die Vorderen aufsteigen lassen, ansonsten die Staffeln lassen, wie sie sind – nächste Saison dann halt mit größeren Ligen“, sagt er. Applaus dafür auch aus Sielmingen. Dessen Mannschaft führt ihre Kreisliga-B-Staffel mit 41 von bislang möglichen 45 Punkten auf ihrem Konto an.

Müsste die Aufstiegsfeier nun dennoch ausfallen? „Das wäre ärgerlich und doof“, sagt der Fußballchef Dirk Glemser. Seine Hoffnung: „Vielleicht geht ja Mitte Mai wieder etwas.“ Das hoffen sie auch beim Verband. Einstweilen gilt: bis auf Weiteres – und warten alle Kicker landauf, landab auf die nächste Post aus der Stuttgarter Zentrale. „Ich möchte gerade nicht in der Haut der Entscheidungsträger stecken“, sagt der Plattenhardter Sascha Krammer.