Vor einer Sitzung der EU-Finanzminister schien ein Kompromiss schon fast eingetütet, darunter mögliche Kredite des Eurorettungsschirms ESM. Doch nun werden wieder Bedenken in Italien, Frankreich und den Niederlanden laut.

Brüssel - Im Streit über europäische Hilfen gegen die Corona-Wirtschaftskrise haben Äußerungen des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte die Hoffnung auf eine rasche Einigung gedämpft. Vor Beratungen der EU-Finanzminister am Dienstagnachmittag nannte Conte Kredite des Eurorettungsschirms ESM „absolut unzureichend“ und beharrte auf Eurobonds, also gemeinsamen europäischen Schuldtiteln. Solche Gemeinschaftsanleihen treffen aber weiter auf Widerstand Deutschlands und anderer Länder.

 

An Italien und Spanien war bereits eine Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs Ende März gescheitert. Die Finanzminister erhielten den Auftrag, neue Modelle zu erarbeiten. In den vergangenen Tagen wurde ein Paket aus drei Instrumenten verhandelt: vorsorgliche Kreditlinien aus dem Eurorettungsfonds ESM für besonders betroffene Staaten; ein Krisenfonds bei der Europäischen Investitionsbank und EU-Unterstützung für Kurzarbeiter.

Eurogruppen-Chef Mario Centeno sagte am Wochenende, für diese Instrumente gebe es breite Unterstützung. Zusammen ergäben sie ein „Sicherheitsnetz“ im Wert von einer halben Billion Euro. Es zeichnete sich ab, dass der Streit über Gemeinschaftsanleihen - sie laufen unter dem Namen Eurobonds, Corona-Bonds oder auch Recovery Bonds - vertagt würde auf die „Wiederaufbauphase“ nach der Pandemie.

Conte erteilte jedoch am Montagabend den ESM-Hilfen eine Absage und sagte: „ESM nein, Eurobonds definitiv ja. Der ESM ist absolut unzureichend, Eurobonds hingegen sind die Lösung, eine seriöse, effektive, angemessene Reaktion auf den Notfall.“ Mit seinem Finanzminister Roberto Gualtieri stimme er da völlig überein.

Scholz erneuerte seine Ablehnung gegen Corona-Bonds auf europäischer Ebene

Bundesfinanzminister Olaf Scholz erneuerte indes seine Ablehnung gegen Corona-Bonds auf europäischer Ebene. Mit der EIB, dem ESM und dem Konzept „Sure“ gebe es drei „ganz starke Signale der Solidarität“, sagte der SPD-Politiker am Montagabend im ZDF. Dazu könne noch ein Europäisches Wiederaufbauprogramm kommen, damit die Wirtschaft in Europa wieder wachse.

Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra bekräftigte am Dienstag ebenfalls das Nein zu Eurobonds und stellte auch Details der übrigen Instrumente in Frage. So forderte er Finanzhilfen aus dem ESM mit Reformforderungen zu verbinden, etwa Reformen im Sozialsystem und die Erhöhung des Rentenalters. Zuletzt hatte es aus Verhandlungskreisen geheißen, die Bedingungen für die ESM-Hilfen sollten auf ein Minimum begrenzt bleiben. Hoekstra stellte auch eine Einigung auf das Kurzarbeiter-Programm „Sure“ in Frage.

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire legte die Latte für eine Einigung mit seinen EU-Kollegen ebenfalls hoch. Er hatte als Kompromiss in der Eurobond-Frage vorgeschlagen, einen neuen Rettungsfonds zu gründen und diesen gemeinsame Anleihen herausgeben zu lassen. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte Le Maire, er wolle eine gemeinsame Lösung im Kreis der Finanzminister nur billigen, falls die Länder dem Solidaritätsfonds grundsätzlich zustimmten. Andernfalls müsse weiter verhandelt werden.

Hier noch einmal die debattierten Finanzinstrumente im Überblick:

KREDITLINIEN DES ESM

Beim Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM könnten sogenannte vorsorgliche Kreditlinien für die Staaten der Eurogruppe eingerichtet werden. Daran soll die Bedingung geknüpft werden, dass das Geld direkt in die Krisenbewältigung fließt. Bis zu 240 Milliarden Euro an Krediten könnten auf diese Weise ausgezahlt werden.

EIN GARANTIEFONDS BEI DER EIB

Die Europäische Investitionsbank EIB hat einen sogenannten Paneuropäischen Garantiefonds vorgeschlagen, der so funktionieren könnte: Die EU-Staaten zahlen anteilig 25 Milliarden Euro in den Fonds ein, der zur Absicherung von Krediten der Investitionsbank an den Mittelstand dienen soll. Nach Einschätzung der EIB ließen sich so bis zu 200 Milliarden Euro an Liquidität für Firmen mobilisieren.

DIE EUROPÄISCHE KURZARBEITER-HILFE „SURE“

Das Konzept „Sure“ der EU-Kommission soll Kurzarbeitergeld in den EU-Staaten unterstützen. Das sind Lohnzuschüsse für Firmen, die in der Krise trotz Auftragsmangels ihre Mitarbeiter nicht entlassen. Der Vorschlag: Die EU-Staaten hinterlegen unwiderrufliche Garantien in Höhe von 25 Milliarden Euro. Mit dieser Rückendeckung nimmt die EU-Kommission bis zu 100 Milliarden Euro zu günstigen Konditionen am Kapitalmarkt auf und reicht sie nach Bedarf für Kurzarbeit an EU-Staaten weiter.

CORONA-BONDS ODER RECOVERY BONDS

Dies würde so funktionieren: Mit fest verzinsten Wertpapieren leihen sich EU-Staaten gemeinsam Geld an Finanzmärkten, das direkt in die jeweiligen Haushalte flösse. Für Zinsen und Rückzahlung haften alle gemeinsam. Hoch verschuldete Staaten könnten so zu günstigeren Konditionen an frisches Geld am Kapitalmarkt kommen als alleine.