Corona-Krise in Stuttgart-Birkach Mehr Sheriff als Gastgeber

Mehrere Gewerbetreibende und Dienstleister in Stuttgart-Birkach bezweifeln, dass sie sich von der Krise erholen werden. Dazu gehören auch so beliebe Betriebe wie die Café Denkbar oder die VfB-Kneipe Krone.
Birkach - Wirklich verzweifelt seien sie aktuell, sagt Andrea Kunkel. Zusammen mit Michael Heide betreibt sie das Gästehaus Andrea und die Kneipe Krone in Birkach. Wegen der Corona-Krise mussten sie die Krone für zwei Monate schließen. Im Gästehaus durften sie zwar früher wieder Geschäftsleute beherbergen, damit haben sie aber nur etwa zehn Prozent des normalen Umsatzes erreicht. „Eigentlich sind März und April bei uns die stärksten Monate, weil in der Zeit viel an der Messe oben los ist“, sagt Michael Heide, „damit gleichen wir normalerweise sogar die Schwäche im Sommer aus“. In diesem Jahr ist das nicht möglich.
Die Betreiber glauben nicht, dass sich die Situation bald bessert. „Es wird kein Volksfest geben und die Herbstmesse ist zwar geplant, aber daran glaube ich noch nicht richtig“, sagt Michael Heide. Außerdem könne er die ausgefallenen Einnahmen nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. „Wir können ja in Zukunft nicht zwei Gäste in ein Zimmer legen.“
Zettel aufgehängt, um den Schuhladen zu retten
Die Stimmung unter den Gewerbetreibenden in Birkach ist gedrückt. Auch Sabine Gooß, Inhaberin eines Schuhgeschäfts, leidet unter der Krise. Ihr Laden ist seit gut einem Monat wieder geöffnet. „Ich habe draußen einen Zettel aufgehängt, dass ich die Ware auch nach Hause bringe“, sagt Gooß. Das habe etwas geholfen. Sie ist nun auf die Unterstützung der Bürger angewiesen, die sie dazu aufruft, lieber nicht im Internet, sondern lokal einzukaufen. „Wir können nur hoffen, dass diese Zeit schnell vorbei geht“, sagt Gooß.
Kurt Lunke, Vorsitzender von Birkach Aktiv, appelliert an die Verpächter der betroffenen Geschäfte: „Man könnte ja mal ein, zwei Monate auf die Miete verzichten“, sagt er, „es ist wichtig, diese Firmen beizubehalten“. Er selbst vermiete Wohnfläche an Studierende und habe die Miete für drei Monate ausgesetzt. Danach könne man weitersehen. Das „danach“ macht Lunke im geschäftlichen Kontext etwas Sorge. Er ist selbst im Handwerk tätig und berichtet, dass in dieser Branche zurzeit „150 Prozent geschafft“ werde. „Das heißt, dass es in einem halben Jahr einen Einbruch geben wird, weil niemand das Geld hat, sein Bad zu renovieren oder Ähnliches.“
Geschäftsgrundlage sind Studierende – und die fehlen
Als Vertreter des Cafés Denkbar berichtet Carl-Christian Vetter von ähnlichen Problemen wie Andrea Kunkel und Michael Heide. So fehle dem Café auf dem Hohenheimer Campus zurzeit seine Geschäftsgrundlage, weil die Studierenden kaum Präsenzveranstaltungen haben und deshalb nicht auf dem Campus unterwegs sind. „Wir erreichen ungefähr 15 bis 20 Prozent der normalen Umsätze“, sagt Vetter, „und das Essen, das wir jetzt nicht verkaufen, verkaufen wir später auch nicht doppelt“.
Das Café Denkbar und die Krone dürfen seit Kurzem wieder öffnen. Seitdem sei man aber eher Sheriff als Gastgeber, sagt Andrea Kunkel. „Wir müssen die Daten der Kunden aufnehmen, die Leute am Tisch platzieren, gucken, dass sich niemand umsetzt und kontrollieren, dass nicht zu viele Leute auf einmal aufs Klo gehen“, sagt sie, „das ist nicht besonders gastfreundlich“. Michael Heide meint: „So richtig Spaß macht es gerade nicht.“ Man müsse genau darauf achten, keinen Fehler zu machen, sonst riskiere man eine Strafe.
Sie versuchen, das Positive zu sehen
Bei all den Nachteilen, die die Krise mit sich bringt, seien die Betreiber froh, die Pandemie wenigstens in Deutschland und nicht anderswo zu erleben. Denn finanzielle Hilfe von der Regierung sei nicht selbstverständlich, in Zeiten wie diesen aber dringend nötig. „Leider sind diese Hilfen aber nur kleine Bausteine, die uns das Überleben nicht sichern“, sagt Michael Heide.
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