In den Kliniken sind die Beatmungsbetten nahezu belegt. Die Versorgung von anderen Notfallpatienten ist gefährdet. Die Mediziner fordern eine zentrale Stelle, die bundesweit die Verlegung von an Corona erkrankten Menschen organisiert.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Die Krankenhäuser im Landkreis Esslingen stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Nachdem Nürtingen bereits in der vergangenen Woche Patienten verlegen musste, wird es nun auch im Klinikum Esslingen eng. Am Montag morgen waren 83 Prozent der 81 in den Medius-Kliniken, der Filderklinik und im Klinikum Esslingen vorhandenen Beatmungsbetten belegt. Der Anteil der Covid-19-Patienten betrug 60 Prozent. „Wir sind hier im Kreis ein epidemiologischer Hotspot“, sagt Michael Geißler, der Ärztliche Direktor des Klinikums Esslingen, der sich im Namen des Landkreises und andere betroffene Regionen mit einem flammenden Appell an die Landes- und die Bundesregierung wendet.

 

„Es gibt zwar ein Intensiv-Register, in dem bundesweit alle Corona-Patienten erfasst werden. Momentan sind dort rund 1200 Menschen registriert, die intensivmedizinisch versorgt und beatmet werden müssen. Wir brauchen aber dringend schnell eine Stelle, über die zentral die Verlegung von Patienten aus belasteten Hotspot-Regionen in andere Landkreise, notfalls auch in andere Bundesländer, die weniger betroffen sind, organisiert wird – etwa über das Bundesgesundheitsministerium, das Robert-Koch-Institut und die zuständigen Länderbehörden.“

Telefonate zwischen Kollegen

Aktuell sei es so, dass Verlegungen auf kollegialer Ebene geregelt würden. Geißler: „Man ruft halt bei Ärzten an, die man kennt, und bittet sie um Hilfe. Es kann doch aber nicht sein, dass Notfall- und Intensivmediziner ihren Tag in der aktuellen Situation mit telefonieren verbringen.“ Mit der Forderung nach einer zentralen Stelle stehe der Landkreis Esslingen nicht alleine. Auch die Deutsche Gesellschaft für Intensiv- und Notfallmedizin habe entsprechende Maßnahmen von der Bundesregierung gefordert.

Zum aktuellen Zeitpunkt, so Geißler, gäbe es noch viele Möglichkeiten, sich gegenseitig zu helfen. Vor allem im Osten Deutschlands, aber zum Beispiel auch in Teilen Hessens, Niedersachsens und sogar in vielen Landkreisen und Städten in Baden-Württemberg seien die Kapazitätsgrenzen bei weitem noch nicht erreicht.

Geißler: „Ein solches Register ist aber nicht nur in der aktuellen Situation wichtig, sondern wird in den kommenden Wochen, wenn die Zahl der zu beatmenden Patienten weiter steigen wird, noch an Bedeutung gewinnen. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass in Hotspot-Regionen durch fehlende Ausgleichsregelungen die ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter, die aktuell mit besonders hohem Engagement arbeiten, so belastet werden, dass dann die medizinische Versorgung leidet.“

In Esslingen ist die Situation besonders angespannt

Im Landkreis Esslingen sei die Situation aktuell besonders angespannt. „Wir müssen ja auch daran denken, dass wir trotz Corona noch andere Patienten behandeln müssen, um beispielsweise als Klinikum Esslingen unserem Auftrag als Zentralversorger gerecht werden zu können“, betont er. Zum einen gebe es Tumor-Operationen, die sich nicht hinausschieben ließen. Dazu kämen noch Notfälle wie Opfer von Verkehrsunfällen, Blutungen oder Infarktpatienten. „Auch für dieses Menschen müssen wir Intensiv- und Beatmungskapazitäten bereit halten“, sagt Geißler.

Gefragt sei deshalb eine schnelle und unbürokratische Lösung, um die Verteilung der Patienten notfalls im gesamten Bundesgebiet zu organisieren. Eine Alternative wäre, bundesweit sogenannte Coronakliniken neben nicht Coronakliniken zu definieren. Dann müssten die Notfälle und komplexen chirugischen Operationen von Nicht-Covid-19-Patienten dezentral an weit entfernten Standorten durchgeführt werden. Michael Geißler: „Ich halte dieses Szenario bundesweit aber für nicht umsetzbar“.

Auch der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger (SPD) unterstützt die Forderung der Esslinger Mediziner: „Wir müssen zu einer gleichmäßigen Auslastung der Krankenhäuser bundesweit kommen. Dafür wäre eine zentrale Stelle die richtige Lösung.“ Nicht ganz so kritisch wie im Landkreis Esslingen sieht es momentan im Rems-Murr-Kreis aus. Dort gibt es aktuell noch ausreichend Beatmungsbetten in den jeweiligen Kliniken.