Traditionell machen im August italienische Geschäftsleute ihre Betriebe in Deutschland zu und urlauben daheim. Und im Corona-Jahr? Da kann sich nicht jeder eine Auszeit erlauben.

Filder - Umberto Tozzis Schlager „Gloria“ schallt durch den Laden, während Osvaldo Fedele Kaffee aufbrüht. An der Wand wird für „Salumi“ und „Formaggi“ geworben, und darüber hängt eine Luftaufnahme des Strandes von Francavilla al Mare. Das macht Lust auf Urlaub – und für Osvaldo Fedele wird es bald Realität. Vier Wochen lang, ab dem 12. August, wird sein Feinkostgeschäft Da Osvaldo in Sillenbuch geschlossen sein. Ferragosto naht. Den Feiertag feiern die Italiener am 15. August und legen traditionell ihren Sommerurlaub drumherum. Auch der Ladeninhaber wird das Fest in seiner Heimatstadt in den Abruzzen verbringen – mit Familie und Freunden, die zu dem Anlass mal wieder nach Hause fahren. Sorge, sich mit Corona zu infizieren, habe er nicht. In der Region habe es nur sehr wenige Kranke gegeben. „Ich habe keine Bedenken“, sagt der 62-Jährige.

 

Die Sillenbucher haben eine große Solidarität gezeigt

Vielmehr brauche er jetzt die Auszeit. Er habe in den vergangenen Wochen mehr denn je gearbeitet. Sein Lebensmittelgeschäft, das er an der Stelle seit nunmehr zehn Jahren führt, sei während der ganzen Zeit über offen gewesen, außerdem habe er einen Lieferdienst angeboten. Finanziell könne er sich die Pause erlauben. „Ich habe mehr Umsatz gemacht als sonst. Ich kann nichts Negatives sagen“, berichtet Osvaldo Fedele. Die Sillenbucher hätten in dieser Zeit eine große Solidarität gezeigt.

Für Vincenzo Pepe, bekannt als Betreiber des Restaurants L’Inizio in Plieningen, fällt Ferragosto indes aus. Ihn hat Corona kalt erwischt, denn ausgerechnet im Februar hatte er sein neues Lokal La Visione im Gewerbegebiet zwischen Ostfildern-Nellingen und Denkendorf eröffnet – und kurz darauf erst mal wieder geschlossen. „Ich musste allen Mitarbeitern kündigen, wir hatten das Potenzial nicht. Es war zu frisch“, sagt der 35-Jährige.

Der Besuch an der Amalfiküste muss warten

Dementsprechend will er jetzt, da er wieder darf, ranklotzen. Das Gebäude sei neu, die anderen Mieter hätten die Büros gerade erst bezogen. „Das ist eine wichtige Zeit. Jetzt muss ich mein Gesicht zeigen“, sagt er, immerhin habe er viel ins Lokal investiert. Da müsse der Besuch im Heimatort im Hinterland der Amalfiküste eben warten.

Das L’Inizio in Plieningen, das nun von Vincenzo Pepes Lebensgefährtin geführt wird, ist indessen über Ferragosto geschlossen. „Wir haben ein junges Team. Der letzte Urlaub war im Dezember. Keiner konnte seine Familie besuchen“, erklärt er. Für die Stimmung in der Gruppe sei eine Auszeit wichtig.

Ähnlich sieht es Kazem Ghazi, der Chef des Lokals La Fortuna in Filderstadt-Bernhausen. Er ist Libanese, sein Team besteht aber aus Italienern. Die fahren zwar wegen Corona nicht heim in den Süden, die Betriebsferien vom 9. bis zum 14. August hätten sich wegen der jüngsten Anstrengungen aber alle verdient. „Ein bisschen durchschnaufen“, erklärt Kazem Ghazi.

Im Sommer ist die Hauptarbeitszeit in der Eisdiele

Ein Eiscafé in den Sommerferien zumachen? Das geht derweil gar nicht. „Ich habe das letzte Mal in der vierten Klasse zu Ferragosto Urlaub gemacht“, sagt Carmine Napolitano aus dem Vaihinger Eiscafé Fantasia und lacht. Während etwa die Pizzeria Marktstüble nebenan in der ersten August-Hälfte Ferien einschieben kann, ist der Sommer seine Hauptarbeitszeit. Möglicherweise werden er und sein Team sogar in diesem Jahr noch mehr zu tun haben als sonst, wenn weniger Menschen wegen der Pandemie verreisen. Der 47-Jährige sagt: „Ein Eis ist auch ein Moment Urlaub.“

Gianni Firrincieli verschwendet ebenfalls keinen Gedanken an Ferien in seiner Heimat Sizilien – immerhin habe er gemeinsam mit seiner Familie das Bistro Italia in Bernhausen und eine Reinigungsfirma zu führen. „Ich gehe nicht in den Urlaub, ich habe keine Zeit“, sagt der 47-Jährige. Viel lieber spricht er über echten italienischen Espresso und über das Eis, mit dem er seinen Stammkunden den Sommer versüße. Den August verbringe er ohnehin lieber in Deutschland, denn in Italien gelte Folgendes, sagt er: „Viel Chaos, sehr warm.“