Arbeiten zu dürfen, heißt aktuell nicht automatisch arbeiten zu können. Achim Knödler, ein Schuhmachermeister aus Stuttgart-Fasanenhof, erklärt, wie das Handwerk unter der Corona-Krise leidet.

Fasanenhof - Die Straßen sind leer gefegt. Die meisten Geschäfte: zu. Restaurants: zu. Fitnessstudios: zu. Doch Achim Knödler, der sperrt jeden Tag aufs Neue seinen Laden auf. Der 51-Jährige betreibt an der Kurt-Schumacher-Straße auf dem Fasanenhof seine Werkstatt. Er ist Schuhmachermeister. Das bundesweit selten gewordene Handwerk liegt in der Familie. Schon der Opa hatte ein Geschäft in Gablenberg, 1964 eröffnete Achim Knödlers Vater den Betrieb am jetzigen Standort. „Wir sind das älteste Geschäft auf dem Fasanenhof unter der gleichen Inhaberfamilie“, sagt er.

 

Normalerweise ist Achim Knödler gut im Geschäft. Für Reparaturen hat er in der Regel einen 14-tägigen Vorlauf. Begehrt sind auch die handgefertigten Schuhe, die er anbietet. Business-Herrenschuhe erhält er aus Manufakturen in Ungarn oder Frankreich und passt sie vor Ort für den Kunden an. „Die Nachfrage ist sehr hoch, ich habe Kunden, die von weit kommen“, sagt er. Wer es ganz exklusiv mag, lässt sich von Achim Knödler persönlich ein Paar auf die Füße schustern. Dieser Teil des Geschäfts ist dem Kleinunternehmer allerdings komplett weggebrochen. Schuhe, Pflegemittel oder Accessoires darf er in der Corona-Krise nicht mehr verkaufen. „Die Verkaufsartikel sind ein großes Standbein, das bricht jetzt weg“, stellt er klar. Gerade im Frühjahr sei das für ihn schmerzhaft. „Jetzt ist eigentlich Hochsaison. Im März, April, da läuft richtig was.“

Viele Handwerksbetriebe geraten jetzt schon in die Schieflage

Was er noch anbieten darf, ist der Reparaturservice. Kompensieren könnten die Dienstleistungen den weggefallenen Verkauf indes schlecht, „da muss ich viele Absätze für 20 Euro machen“. Hinzu kommt: Arbeiten dürfen, heißt nicht automatisch arbeiten können. „Die Reparaturen laufen aktuell gegen Null.“ Bestehende Aufträge seien längst abgearbeitet. „Wenn die Kunden kommen würden, könnte ich mit den Reparaturen überleben“, sagt er, doch neue Anfragen kriege er kaum. Knödler glaubt, dass sich mancher trotz Sicherheitsmaßnahmen – Trennscheiben, Desinfektionen, bargeldloses Bezahlen – nicht in den Laden traut. Oder gar nicht weiß, dass er geöffnet ist.

Laut Gerd Kistenfeger, dem Sprecher der Handwerkskammer Region Stuttgart, haben viele diese Probleme – ob Optiker, Kfz-Mechaniker, Kaminfeger, Bäcker oder Metzger. „Es ist vielen nicht bekannt, dass Handwerker momentan arbeiten“, hat er erfahren. Von den nahezu 30 000 Handwerksbetrieben in der Region Stuttgart seien die meisten – Friseure und Kosmetiker etwa ausgenommen – offen, aber mit massiven finanziellen Einbußen konfrontiert. „Einige geraten jetzt schon in Schieflage“, betont Gerd Kistenfeger. Nur sehr wenige Branchen, etwa die Sanitärinstallation, hätten durch die vielen Daheimgebliebenen Zulauf. Daher seien die Soforthilfen, die das Land für Selbstständige und Kleinunternehmer in Aussicht gestellt hat, dringend nötig. „Wir machen uns alle Sorgen“, sagt der Schuhmachermeister Achim Knödler.

Sein Lager ist voll, „die Ware ist da und muss bezahlt werden“. Gebundenes Kapital, das jetzt herumsteht, und der Mitarbeiter bekommt auch sein Gehalt. Doch Achim Knödler ist entschlossen weiterzumachen. Er stellt klar: „Wir sind noch da. Wir dürfen noch.“