Der CSU-Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer leidet selbst an Corona-Langzeitfolgen. Nun bringt er einen Antrag in den Bundestag mit ein, in dem die Union eine bessere Versorgung für Betroffene von Long-Covid und Post-Vac fordert.

Zur Linderung gesundheitlicher Langzeitfolgen von Corona macht die CDU/CSU im Bundestag Druck: Das Gesundheitsministerium unter Karl Lauterbach soll dafür sorgen, dass Betroffenen von Long- und Post-Covid, chronischer Erschöpfung sowie Impffolgen besser geholfen wird. Ein Antrag der Union dazu wird am Donnerstag, 25. Mai, beraten. Dafür stark macht sich der Abgeordnete Erich Irlstorfer (CSU), der selbst bis heute mit Long-Covid kämpft. Wie lange Corona noch ein politisches Thema bleiben wird und warum die Langzeit-Beschwerden längst nicht mehr den Status seltener Krankheiten haben, erklärt Irlstorfer im Interview.

 

Herr Irlstorfer, wie geht es Ihnen heute mit den Auswirkungen Ihrer Corona-Erkrankung?

Es gibt ein Leben vor Corona und ein Leben danach. Ich hatte mich im Januar 2021 infiziert. Ich war eine gute Woche im Krankenhaus, aber zum Glück musste ich nicht beatmet werden. Mit zunächst nur 30 bis 40 Prozent Leistungskraft konnte ich nicht so einfach wieder in mein normales Leben zurückkehren. Das war ein hartes Stück Arbeit. Ich hatte vor sechs Wochen eine zweite Corona-Infektion, deren Verlauf nicht dramatisch war, aber man merkt, dass der Körper in Mitleidenschaft gezogen wurde. Was Kraft angeht und Wegstrecken zu meistern, da bin ich noch nicht wieder wie früher.

Was ist Ihr Impfstatus?

Ich bin zweimal genesen, einmal geimpft. Es hatte Gründe, warum ich mich nicht öfter impfen habe lassen. Nach der Corona-Infektion – während der kann man sich ja nicht impfen lassen – hatte ich anschließend fünfmal Erysipel (Anm. d. Red.: eine entzündliche Erkrankung der oberen Hautschichten). Das ist inzwischen besser, aber zu dieser Zeit konnte ich keine weiteren Impfungen mehr vornehmen.

Auch Betroffene von Post-Vac – Impffolgen – finden bei Ihnen Gehör…

Mir ist absolut wichtig, auch Post-Vac-Betroffene anzusprechen. Ich bin nahe dran an all den Auswirkungen, die die Pandemie mit sich gebracht hat. Selbst als Betroffener, im Kreis meiner Familie und durch den Tod meiner Mutter, die an Corona gestorben ist. Später wurde ich angefragt, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. So führe ich viele Gespräche. Oft heißt es: „Ich hatte immer Angst vor der Impfung, musste mich wegen des Berufs impfen lassen – und jetzt ist meine Situation unerträglich“. Es sind immer persönliche Schicksale. Ich selektiere nicht und unsere Aufgabe ist nicht zu richten oder zu bewerten, sondern eine ordentliche Versorgung der gesundheitlichen Pandemiefolgen sicherzustellen.

Im Antrag kritisieren Sie Minister Lauterbach wegen der angekündigten Therapieforschung. Gleichzeitig werben Sie um Zustimmung der Regierung. Was macht Sie zuversichtlich?

Klar sind wir Opposition. Aber bei der Ausstattung der Bundeswehr war es auch möglich, an einem Strang zu ziehen. Unserem Antrag gingen mehrere fraktionsoffene Gespräche voraus, und auch in den vergangenen Wochen stand ich im vertrauensvollen Austausch mit Gesundheitsminister Lauterbach sowie Forschungsministerin Stark-Watzinger und dem Haushaltsausschuss-Vorsitzenden Helge Braun. Dabei gab es viele Gemeinsamkeiten. Doch die Ampel hat zurückgezogen, und der Beschluss war nicht mehrheitsfähig. Aber wir sollten nicht Parteipolitik machen, denn Krankheit kennt weder Partei noch Fraktion. Unabhängig von der aktuellen Position, die wir haben, werden wir Teil der Lösung sein.

Sie wollen, dass für Langzeitfolgen der Krankheit oder Impfung eine Chronikerpauschale gelten soll, was bedeutet das?

Wir wollen Diagnose und Behandlung verbessern. Wegen der diversen Symptome der Spätfolgen-Erkrankungen steckt der Teufel da im Detail. Mit einer Chronikerpauschale kann effektiver auf die Bedürfnisse der Erkrankten eingegangen werden. Long- und Post-Covid sowie das Post-Vac-Syndrom gelten zwar weithin als chronisch, der Status ist aber noch nicht anerkannt. Es geht um die Formulierung. Und darum, diese im gesetzlichen wie privaten Krankenkassensystem zu verankern. Erst wenn Krankheitsbilder in den Sozialgesetzbüchern stehen und anerkannt sind, werden Krankenkassen r aktiv.

Sie fordern auch eine Anerkennung als Berufskrankheit – Denken Sie dabei an Krankenhauspersonal?

Ja, aber das betrifft auch weitere gesundheitliche, pflegerische sowie soziale Berufsgruppen. Denken Sie beispielsweise an Erzieherinnen und Erzieher. Auch hier geht es um wirtschaftlich prekäre Situationen, wenn Betroffene aufgrund der Coronainfektion längerfristig Alltagsaufgaben – duschen oder den Haushalt meistern – nur noch mit Hilfe von Angehörigen oder Nachbarn leisten können. Für die Zeit nach der Lohnfortzahlung und nachdem Krankengeld bezogen wurde, droht Betroffenen ein ernstes finanzielles Problem. Nötig ist ein System, das eine beschränkte Verrentung mit regelmäßiger Prüfung ermöglicht, bei der eine Wiedereingliederung stattfinden kann. Das müssen wir jetzt organisieren, wir dürfen kranke Menschen nicht in eine Armutsfalle tappen lassen.

Wie sollen diese großen Posten finanziert werden?

Die Langzeit-Schäden der Pandemie werden die Haushalte noch Jahrzehnte prägen – das ist teils Vermutung, teils Befürchtung. Es wird sich auch auf das Gesundheitssystem und die Beiträge auswirken. Mit Blick auf den Haushalt 2024 brauchen wir dafür eine Finanzierung. Mit der Anerkennung als Spätfolgen müssen die Kosten unter den Corona-Etat fallen. Trügerisch ist oft das Abklingen der Pandemie. Denken Sie an ME/CFS (Anm.: chronische Erschöpfung) – die Königsdisziplin von Long-Covid. Aus der Wissenschaft heißt es, dass ein bis zwei Prozent derer, die mit Corona infiziert waren, ME/CFS-Symptome entwickeln. Da reden wir nicht von seltenen Krankheiten – bei mittlerweile knapp 39 Millionen Infektionen ist das tendenziell eine Volkskrankheit. Ich erwarte von Bundeskanzler Scholz, dass er hier führt und priorisiert und die Corona-Kosten im Haushalt richtig zuteilt und ausstattet.

Zur Person

Erich Irlstorfer (52) ist seit 2013 direkt gewählter CSU-Bundestagsabgeordneter für die Landkreise Freising, Pfaffenhofen a.d. Ilm sowie Neuburg-Schrobenhausen und ordentliches Mitglied im Ausschuss für Gesundheit. Seit Mai 2021 ist Irlstorfer Gründungsvorsitzender des Selbsthilfeverein ELIAS. Ziel des Vereins ist die niedrigschwellige Unterstützung erkrankter Menschen sowie die gesellschaftliche Sensibilisierung zu den Krankheitsbildern Long- und Post-Covid, ME/CFS sowie Post-Vac. Vor seiner Zeit als Parlamentarier war der gelernte Bürokaufmann als Außendienstmitarbeiter für die Direktion München der AOK Bayern tätig. Ilstorfer ist verheiratet und hat zwei Kinder.