Corona ordnet die Weltwirtschaft neu Die Welt wird neu vermessen

Chinas Wirtschaftsleben geht wieder seinen normalen Gang. Foto: dpa

Corona erschüttert die Welt. Doch die Pandemie birgt auch die Chance zum Neubeginn, kommentiert Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Um Pathos war Klaus Schwab noch nie verlegen. Der Anspruch des Gründers des „World Economic Forum“ ist von jeher nicht geringer, als „den Zustand der Welt zu verbessern“. Für das am Montag beginnende, ebenso beachtete wie umstrittene Davos-Treffen hat er für die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs sowie Wirtschaftsführer die Latte so hoch wie möglich gelegt: „Das Jahr 2021 wird entscheidend sein für die Zukunft der Menschheit.“

 

Man kann das für das übliche Schwab’sche Verkaufstalent halten, um die Aufmerksamkeit für das dieses Mal nur digital stattfindende Forum zu erhöhen. Aber man kann die Situation der Welt schon so einschätzen. Denn es gibt viele global dringende Probleme, und es gibt mit der Corona-Pandemie einen Faktor, der Trends überlagert, verändert, wesentliche Entwicklungen verstärkt – der aber auch die Chance zum Neuanfang birgt.

Die USA setzen die richtigen Prioritäten

US-Präsident Joe Biden hat das Ziel seiner Präsidentschaft mit „build back better“ sinnvoll beschrieben. Das Hauptaugenmerk muss einerseits auf der Bekämpfung der Pandemie liegen. Doch das ist nicht genug. Die Gesellschaften in Amerika und Europa müssen gleichzeitig krisenfester, inklusiver und nachhaltiger aus der Pandemie herauskommen.

Das gilt umso mehr, wenn man nach China blickt. Denn das Land, in dem die Pandemie ausbrach, ist auch das Land, das sie am erfolgreichsten bekämpft hat. Als einzigem großen Staat gelang es China, im vergangenen Jahr die Wirtschaftsleistung zu steigern. Damit verstärkt sich die Verschiebung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse in Richtung China und Asien. Mehr als 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung wird inzwischen in Asien erbracht; mutmaßlich dieses Jahr wird China die Länder der Eurozone wirtschaftlich überholen.

Die Herausforderung China muss angenommen werden

Problematisch ist, dass China die Erfolge in der Corona-Bekämpfung als Bestätigung eines autokratischen Führungsstils und der Überlegenheit des zentralistischen Machtstaats gegenüber Demokratien westlicher Prägung ansieht. Chinas internationaler Führungsanspruch erhält dadurch neuen Auftrieb. Er zeigt sich geopolitisch in einem zunehmend aggressiven Auftreten und wirtschaftspolitisch in dem Ziel, in allen wesentlichen Zukunftstechnologien innerhalb der kommenden Jahre führend zu sein.

Der Westen muss auf diese Herausforderung eine Antwort finden. Das kann nur beginnen in der Besinnung auf klassische westliche Werte. In einem Gastbeitrag für die „FAZ“ fordern die Grünen-Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck daher die Europäer zu Recht auf, gemeinsam mit der neuen US-Administration auf der Basis von Demokratie, Menschenrechten und einer rechtebasierten Weltordnung eine gemeinsame China-Strategie zu entwickeln.

Zugleich ist eine wirtschaftlich ambitionierte Antwort nötig. Vor allem braucht es in der EU höhere Investitionen in Zukunftstechnologien und Digitalisierung. Wesentliche Teile einer Zukunftsstrategie liegen aber auch bereits auf dem Tisch: In den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft investieren die EU-Staaten in den kommenden zehn Jahren eine Billion Euro; hinzu kommen noch 750 Milliarden Euro, um die Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen. Und in den USA hat Biden ein 1,9 Billionen Dollar großes, in etwa vergleichbares Konjunkturpaket angekündigt.

Ereignisse in Dimensionen wie Kriege oder Pandemien haben kurzfristig verheerende Folgen. Doch sie bergen auch das Potenzial, die Welt in eine neue, bessere Richtung zu schieben. Das passiert sicher nicht in einem Jahr allein, wie Schwab behauptet. Aber in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts kann das gelingen.

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