Auch in Stuttgart leiden Vermieter von Airbnb-Wohnungen an der gesunkenen Nachfrage durch Corona. Dies hat jedoch auch Vorteile: Durch die Verschiebung auf dem Wohnungsmarkt gibt es plötzlich mehr Wohnungen zur Miete.
Stuttgart - Vor einigen Monaten wäre dieses Szenario noch undenkbar gewesen. Eine Gastgeberin auf der Vermittlungsplattform Airbnb bietet eine voll ausgestattete Zwei-Zimmer-Wohnung in der Nähe des Katharinenhospitals im Zentrum an. Sie erhält überwiegend gute Bewertungen wirbt daher selbstbewusst in ihrem Inserat mit: „Simply The Best – Stuttgart City“. Dennoch sind alle Reisedaten im restlichen April und Mai verfügbar – das Corona-Virus und die einhergehende Tourismuspause hat den amerikanischen Konzern schwer getroffen.
„Ich habe lauter Absagen für meine Buchungen bekommen“, berichtet daher ein Stuttgarter Airbnb-Vermieter. Das Reiseverbot und abgesagte Businessmeetings sorgten dafür, dass er im März und April nur einen einzigen Gast hatte. Zu wenig für den Musiker, der am Rotebühlplatz ein Zimmer an Geschäftsleute und Touristen vermietet. Mit den rund 500 Euro im Monat, die er dadurch einnimmt, finanziert er einen Teil der Miete für das Studio, das er für Proben und Musikunterricht nutzt. Das Geld fehle ihm jetzt, sagt der 49-Jährige.
Airbnb erstattet Vermietern ein Viertel des Preises
Airbnb zeigte sich zunächst kulant, was die Ausfälle durch Corona angeht. Das Unternehmen hat Reisenden die volle Rückerstattung ihrer Buchungen bis Mitte April garantiert. Bei den Vermietern, die eine Provision an die Sharing-Plattform zahlen müssen, sorgte das für kräftig Unmut. Wenig später kündigte Airbnb-CEO Brian Chesky dann in einem öffentlichen Brief an, auch Gastgeber für stornierte Buchungen bis Mitte Mai zu entschädigen. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen und mit 25 Prozent des ursprünglichen Betrages. Der Umfang dieser Entschädigungen liegt immerhin bei rund 250 Millionen Euro.
Auch ein anderer Stuttgarter Gastgeber berichtet von einer bis dato ungewohnten Situation. Seit etwa sieben Jahren nutzt der Familienvater Airbnb immer wieder zur lukrativen Vermietung eines Apartments in Stuttgart-West. Alle Buchungen im April und Mai wurden storniert, die Einnahmen wähnte er verloren. Zwar sei er nicht von den Einnahmen durch Airbnb finanziell abhängig, aber er ist der Meinung, „ die Wohnung sollte schon vermietet sein“. In der Regel ist die Ferienwohnung durchgehend belegt, ebenfalls vorrangig mit Geschäftsleuten.
Größeres Angebot an Mietwohnungen?
Der 41-jährige gibt sich dennoch optimistisch. „Die Nachfrage wird bald wieder steigen“, glaubt er mit Blick auf die ersten Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Angesichts der Stornierungswelle im März kam er jedoch auf eine andere Idee. Er inserierte die möblierte Wohnung über das Online-Portal Immobilienscout24 und fand schnell einen mehrmonatigen Zwischenmieter. Man erhält den Eindruck, das wäre die neue Marketing-Strategie: Leer stehenden Ferienwohnungen auf Airbnb wandern wegen des Reiseverbots zu anderen Portalen und vergrößern damit das knappe Angebot auf dem Wohnungsmarkt.
Einige wenige Klicks im Netz und man stößt bei Ebay-Kleinanzeigen auch auf die eingangs beschriebene Airbnb-Wohnung mit dem verheißungsvollen Label „Simply The Best – Stuttgart City“. Seit Mitte März wird die gleiche Wohnung dort für 1500 Euro monatsweise zur Miete angeboten – bisher jedoch erfolglos.
Plus 63 Prozent auf Immobilienscout24
„Durch die Corona-Pandemie ist Bewegung in das Segment ‚Wohnen auf Zeit‘ gekommen“, antwortet eine Sprecherin von Immobilienscout24 auf Anfrage unserer Zeitung, „viele private Vermieter scheinen ihre Ferienwohnungen umzuwidmen und in den Mietwohnungsmarkt zurück zu führen.“ Die sogenannten deutschen Top-7-Städte, zu denen auch Stuttgart gehöre, verzeichneten seit Beginn der Kontaktbeschränkungen im März in dieser Kategorie ein Plus von knapp 63 Prozent. Entspannung biete die Situation aber vor allem für Menschen, die kurzfristig und befristet nach Wohnungen suchen, heißt es weiter.
Das Mietportal Immowelt erkennt dagegen „keine generelle Tendenz“ in ihrem Angebot, die auf eine großflächige Umwandlung von Airbnb-Wohnungen zu Mietobjekten hinweist.
Auf die Frage, ob sich in Stuttgart Vermieter von Airbnb zurückgezogen hätten, antwortet Airbnb, dass dazu keine neuen Zahlen vorliegen würden. Aktuell werden in Stuttgart zwischen 300 und 400 Wohnungen mittels Airbnb angeboten. Die Vermittlungsplattform ist nicht verpflichtet die Behörden über die genaue Anzahl in Kenntnis zu setzen. Die Stadt fordert beim Land schon lange eine Gesetzesänderung hinsichtlich dessen.
Airbnb schreibt rote Zahlen
Fest steht: Die Krise zwingt US-Unternehmen in die Knie. Wie das „Handelsblatt“ schreibt, brach der Umsatz in Deutschland von 31 Millionen Euro Mitte Februar auf 13 Millionen Mitte März um mehr als die Hälfte ein. Als Quelle zog die Zeitung Daten der Analysefirma AirDNA heran. Im Januar waren zudem noch deutschlandweit 162.000 Vermieter bei der Plattform aktiv. Zwei Monate später sollen es nur noch 151 000 gewesen sein. Airbnb äußerte sich laut „Handelsblatt“ nicht zu den Zahlen.
Bereits im März hatte Airbnb ihre kompletten Marketingaktivitäten eingefroren, die Gründer beziehen ein halbes Jahr lang kein Gehalt und Führungskräfte verzichten auf die Hälfte ihres Einkommens. Schon vor der Corona-Pandemie schrieb der Konzern aus dem Silicon Valley rote Zahlen, wie der US-Finanzdienst Bloomberg vergangenen Monat berichtete. Zwar sei der Umsatz von Airbnb im letzten Quartal 2019 um fast ein Drittel gestiegen, allerdings stieg das operative Minus auf 256 Million Euro – der doppelte Wert als ein Jahr zuvor.