Ob stiller oder lautstarker Protest: Die Künstler machen auf ihre Lage in der Corona-Pandemie aufmerksam. Der Deutsche Kulturrat ermuntert die Stars: Engagiert euch!

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Die Bühnen sind leer, in den Konzertsälen und Clubs herrscht Stille. Doch Ruhe geben wollen die Kulturschaffenden auf keinen Fall. Denn auch wenn der neue Corona-Lockdown als Lightversion auftritt, befürchten viele Veranstalter und Künstler schwere Schäden in der kulturellen Landschaft. Entsprechend laut ist inzwischen der Chor, der den Unmut über den Umgang mit Kunst und Kultur formuliert. Prominente Stimmen sind darunter wie zuletzt die des Erfurter Musikers Clueso, der in einem Radiointerview die Folgen der Corona-Krise für die Kulturbranche drastisch zuspitzte: „Hier werden Existenzen plattgemacht“, sagte der 40-Jährige.

 

Aber auch die freien Künstler und Kulturversorger vor Ort in und um Stuttgart wollen den zweiten Lockdown nicht stillschweigend hinnehmen – wie zum Beispiel der Club Manufaktur in Schorndorf. „Wir kamen gerade vom Programmheft-Verteilen zurück, als die neuen Regeln erlassen wurden. Da waren wir zu (zweck-)optimistisch, wie so viele“, schreiben die Macher in einem offenen Brief. Und weiter: „Frustrierend ist die Lage allerdings – wir können guten Gewissens sagen, dass unser Abstands- und Hygienekonzept funktioniert hat und dass es weiterhin funktioniert. Es gibt überhaupt keine Hinweise darauf, dass sich hier irgendwer angesteckt hätte.“ Das Publikum sei auch beim Einlass sehr umsichtig. Weshalb man in der Manufaktur hinter dem neuen Erlass „eine gewaltige staatliche Ignoranz gegenüber der Kultur“ vermutet, die „nur mehr als verzichtbare Unterhaltung und als Ort vermeidbarer ,Kontakte‘ im epidemiologischen Sinn erscheint“. Drei Dinge sind den Manufaktur-Machern mit Blick nach vorn besonders wichtig: die Absicherung der freien Künstler („Sie sind ja gerade deshalb so wichtig für uns und viele andere Leute, weil sie nicht systemrelevant sein müssen“), Ausnahmen für die Kultur bei weiteren Beschränkungen („Für die Wirtschaft geht das ja auch“) sowie eine erhöhte Vorsicht vor der Monopolisierung des Kulturlebens durch Internetkonzerne wie Netflix.

#SangUndKlanglos wirft Schlaglicht auf stummen Protest

Dass ihre funktionierenden Hygienekonzepte bei der Lockdown-Entscheidung nicht berücksichtigt wurden, macht die Kulturschaffenden landauf, landab wütend. In Bayern werden viele geschlossenen Veranstaltungsorte aus Protest nachts rot angestrahlt. Bundesweit brachten bei der Aktion #SangUndKlanglos am Montagabend zahlreiche Orchester, Musiker und Bands aus Deutschland ihren Unmut zum Ausdruck und stellten Auftritte ins Internet, bei denen sie und ihre Instrumente stumm blieben. Die Musiker der Band Culcha Candela hatten sich zum Beispiel dicke Klebestreifen auf den Mund geklebt oder die Hände mit einem Kabel verbunden.

Viel Gehör gefunden hat auch das Video-Statement des Jazz-Musikers Till Brönner zu den existenzbedrohenden Auswirkungen der neuen Corona-Regelungen auf den Kulturbereich. Eine Antwort erhielt der Jazz-Musiker auch von Olaf Zimmermann, dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats. „Wir ringen deshalb mit der Politik darum, zumindest eine einigermaßen angemessene finanzielle Entschädigung sicherzustellen“, schreibt Zimmermann und fühlt sich als Interessenvertreter der Kultur gerade deshalb irritiert von Brönners Aussage, dass die Kulturbranche „keine ernst zu nehmende Gewerkschaft“ habe.

Allein in den acht Sektionen des Deutschen Kulturrats seien 261 Bundeskulturverbände vertreten.

„Aber natürlich könnten die Berufsverbände und Gewerkschaften sicher noch mehr Gehör in der Politik und in der Öffentlichkeit erhalten, wenn mehr bekannte Künstlerinnen und Künstler sich in diesen Verbänden engagieren und Verantwortung übernehmen würden“, so Zimmermann und ermuntert nicht nur Till Brönner: „Ich freue mich in diesem Sinne auf Ihre zukünftigen Aktivitäten in einem der Kulturverbände, oder vielleicht wollen Sie sogar einen neuen Verband gründen. Wie auch immer, gemeinsam sind wir noch stärker.“