Nach einer überstandenen Coronainfektion kann man sich erneut anstecken. Der Anteil sogenannter Reinfektionen steigt, Schuld ist die Omikronvariante. Was kann man dagegen tun?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

In den letzten Wochen und Monaten haben viele Menschen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis von Menschen gehört, die sich zum zweiten oder dritten Mal mit Corona angesteckt haben. Was hat es mit Reinfektionen auf sich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

 

Was ist eine Reinfektion?

Das Robert-Koch-Institut (RKI) unterscheidet „sichere“ von „wahrscheinlichen“ oder „möglichen“ Reinfektionen. Eine „sichere“ Reinfektion liegt vor, wenn man sich nachweislich mit zwei verschiedenen Coronavarianten angesteckt hat, also etwa im Frühjahr 2021 mit Alpha und ein Jahr später mit Omikron.

„Wahrscheinliche“ oder „mögliche“ Reinfektionen liegen vor, wenn man drei Monate nach überstandener Infektion erneut mittels PCR-Test positiv auf das Coronavirus getestet wird und die Virusmenge eine bestimmte Grenze überschreitet.

Wie oft kommt so etwas vor?

Seit einem Softwareupdate Ende 2021 können Reinfektionen in den Gesundheitsämtern systematisch digital erfasst werden. Das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg gab den Anteil der Reinfektionen im Juli mit bislang 6,8 Prozent an – im Januar betrug er noch 2,5 Prozent. Das thüringische Gesundheitsministerium gibt für das östliche Bundesland ähnliche Werte an mit einem Höchststand von 5,6 Prozent im Juli.

Das bayerische Landesgesundheitsamt zählte bis Anfang Juli rund 77 000 Reinfektionen, der überwiegende Teil davon „möglich“ oder „wahrscheinlich“. Das Amt gab auf Rückfrage aber keine genaueren Daten etwa zum aktuellen Anteil der Reinfektionen in Bayern heraus. Auch Daten aus dem Vereinigten Königreich deuten darauf hin, dass sich weiterhin die Mehrzahl der Infizierten zum ersten Mal ansteckt.

Sind die Zahlen zu Reinfektionen zuverlässig?

Bundesweite Daten liegen nicht vor. Das RKI schreibt auf Anfrage, dass dafür noch nicht genügend Gesundheitsämter die entsprechenden Daten übermitteln. Unklar ist zudem, ob der Anteil erneut Infizierter nicht systematisch verzerrt wird. Möglicherweise erwarten Genesene nicht, dass sie sich noch einmal angesteckt haben und lassen sich auch bei Symptomen seltener testen.

Warum hört man erst jetzt von Reinfektionen?

In den ersten beiden Pandemiejahren waren Reinfektionen sehr selten vor und wurden kaum erforscht. Damals steckten sich deutlich weniger Menschen an als heute. Mittlerweile können sich allein in Deutschland mehr als 29 Millionen nachweislich Infizierte erneut anstecken. Zudem schützt eine frühere Infektion nur teilweise davor, sich das Virus erneut einzufangen.

Das gilt sogar für Menschen, die sich im Winter mit dem Omikron-Subtyp BA.1 oder BA.2 angesteckt haben und die nun mit den derzeit dominierenden Mutanten BA.4 und BA.5 konfrontiert sind. Deshalb steigt der Anteil der Reinfektionen seit dem Aufkommen von Omikron rund um den Jahreswechsel stetig an.

Schützt eine durchgemachte Erkrankung vor Reinfektion?

Sie schützt tendenziell vor schweren Verläufen und teilweise vor einer Reinfektion. Eine noch nicht von Kollegen begutachtete Studie aus Katar ergab, dass eine vorangegangene Infektion mit BA.1 oder BA.2 keineswegs vollständig, aber zumindest besser vor einer Ansteckung mit BA.4 oder BA.5 schützt als Kontakt mit früheren Varianten. Allerdings ist die relativ junge Bevölkerung von Katar nur bedingt mit den älteren Gesellschaften Europas vergleichbar.

Die Immunantwort fällt von Mensch zu Mensch unterschiedlich aus und hat mit dem Immunsystem und der Virusmenge zu tun. Als Faustregel gilt: je milder eine Erkrankung, desto schwächer reagiert das Immunsystem und desto höher ist das Risiko einer neuerlichen Infektion. Neben einer durchgemachten Infektion verbessert insbesondere eine Impfung die Immunantwort.

Verlaufen Reinfektionen milder?

Ausweislich der aktuellen Studienlage rufen Zweit- oder Drittinfektionen häufig mildere Symptome hervor. Dazu kommt ein jeweils geringes, aber „höchstwahrscheinlich additives Long-Covid-Risiko“, sagt der Infektiologe Julian Schulze zur Wiesch vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf: Auch die zweite oder dritte Infektion können Langzeitfolgen haben. Das legen Ergebnisse einer noch nicht begutachteten US-amerikanischen Studie mit Daten von rund sechs Millionen pensionierten Soldaten nahe.

Sind erneut Infizierte ansteckend?

Das hatte Schulze zur Wiesch vergangenes Frühjahr am Beispiel einer Krankenpflegerin nachgewiesen. Insbesondere für nicht Geimpfte ist dieser Hinweis wichtig, weil er gegen die Idee einer vollständigen Herdenimmunität spricht. Reinfizierte seien vermutlich kürzer ansteckend als Erstinfizierte. „Für BA.5 wissen wir es noch nicht so genau“, gibt Schulze zur Wiesch zu. Es gebe aber keinerlei Hinweise darauf, dass sie gar nicht infektiös sind.

Wie kann ich mich vor Reinfektionen schützen?

Grundsätzlich schützt eine Impfung vor schweren Krankheitsverläufen und, wenngleich deutlich schwächer, vor einer Ansteckung. Das gilt auch für die Auffrischimpfungen. Die EU-Seuchenschutzbehörde ECDC hatte erst kürzlich allen über 60 einen zweiten Booster empfohlen.

Für Jüngere und Gesunde ist auch denkbar, die Auffrischimpfung von September an mit einem an die Omikronvariante angepassten Impfstoff durchzuführen. Daneben helfen die üblichen Vorsichtsmaßnahmen, an die sich auch Genesene halten sollten – also etwa Abstand und Maske mindestens in schlecht belüfteten oder gut gefüllten Innenräumen.