Nach monatelangem Stillstand gibt es für den Amateur- und Breitensport erste Möglichkeiten für Lockerungen. Jubelstürme brechen an der Basis deshalb nicht aus. Wir haben die Reaktionen.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Selten decken sich Einschätzungen der obersten Sportfunktionäre mit denen an der Basis. Im Fall der schrittweisen Lockerungen des Corona-Lockdowns ist dies aber zumindest teilweise der Fall. „Als ersten Hoffnungsschimmer für den Sport“ bezeichnete Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die Beschlüsse von Bund und Ländern. „Ein erster Schritt ist gemacht“, sagte auch Fritz Keller, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ergänzte aber mit Blick auf die Amateure: „Ich hätte mir mutigere Öffnungsschritte gewünscht.“

 

Eisenmann verspricht Umsetzung

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs hatten am Mittwochabend nach zähem Ringen verschiedene Schritte der Öffnung auch für den Sport beschlossen. Abhängig von regionalen Corona-Inzidenzwerten können die Bundesländer ab dem 8. März als erste Maßnahme kontaktfreien Sport unter freiem Himmel in kleinen Gruppen mit maximal zehn Personen vorsehen. „Ich begrüße die Bund-Länder-Beschlüsse. Wir werden sie in Baden-Württemberg umsetzen“, versprach Sportministerin Susanne Eisenmann.

Siebrecht mit gemischten Gefühlen

Alle lechzen nach Bewegung. Und obwohl die zarten Perspektiven des Stufenplans keine Jubelstürme an der Basis auslösten, werden nach den beschlossenen Lockerungen manche am kommenden Montag den Betrieb wieder langsam hochfahren und loslegen. „Wir trainieren individuell und in kleinen Gruppen. Mit der Lösung können wir erst einmal leben, auch wenn wir uns mehr erhofft hatten“, sagt Paul Kilgus, Trainer der U-12-Fußballer des SV Vaihingen. Eine Einschätzung, die er mit Lutz Siebrecht, dem Sportlichen Leiter des Oberligisten Stuttgarter Kickers, teilt: „Wir sind enttäuscht, dass nicht stärker gelockert wurde, aber mit der Aussicht, am 22. März wieder mit dem Mannschaftstraining beginnen zu können, wäre zumindest eine Fortsetzung der Saison sehr wahrscheinlich. Darüber sind wir froh.“

Schwimmer noch ohne Perspektive

Vor größeren Problemen als die Freiluftsportarten steht der Hallensport. „Ich kann schlecht ein Reck nach draußen stellen“, sagt Michael Jackl, Turntrainer vom TSV Schmiden. Deshalb sei für das langfristige Überleben der Turnvereine eine zeitnahe und unbürokratische Rückkehr auch zum Indoorsport zwingend notwendig. Während es zumindest für die Turnküken noch gewisse Alternativen an der frischen Luft gibt, sitzen die Nachwuchsschwimmer weiterhin komplett auf dem Trockenen. „Ich habe keine andere Entscheidung erwartet. Solange die Freibäder nicht öffnen, ändert sich für uns leider zunächst gar nichts“, klagt Sabrina Rederer, die Geschäftsführerin des SV Cannstatt. Sie wünscht sich den Weg über Testungen: „Die Schwimmer treffen sich, lassen sich testen, und bei entsprechend negativem Befund wird trainiert.“

Unger ärgert Bürokratie

Dass durch die Schnell- und Selbsttests die Inzidenzzahlen nach oben gehen, gibt Tobias Unger zu bedenken. Weshalb sich die Frage stellt, ob die Beschlüsse überhaupt zum Tragen kommen. Den Ex-Spitzenleichtathlet und Fitnessstudio-Inhaber in Kirchheim/Teck nervt am meisten, wie langsam die Mühlen der Bürokratie mahlen und wie schleppend das Impfen vonstattengehe. „Wir lassen uns aber nicht unterkriegen und bieten unseren Mitgliedern nun verstärkt Outdoorsport-Möglichkeiten an, in die sie sich stundenweise einbuchen können“, sagte der einstige Spitzensportler.

Handballer zieht es ins Freie

Der Trend nach draußen ist auch bei den Handballern ein Thema. Aus Sorge um den Nachwuchs hat DHB-Chef Andreas Michelmann angesichts der anhaltenden Beschränkungen für Hallensportarten eine Rückkehr zu den Wurzeln der Sportart angeregt. „Wir müssen schauen, dass wir stärker ins Freie gehen. Das kennen wir ja aus früheren Jahrzehnten. Jetzt müssen wir das wieder machen, damit uns andere Sportarten die Kinder nicht abwerben“, sagte der Präsident des Deutschen Handballbundes.

Diese Sorge treibt auch die Tennissportler im Land um. Ihnen wird nun aber noch vor Beginn der Freiluftsaison von oberster Stelle Hoffnung gemacht: „Ich werde mich regierungsintern dafür einsetzen, dass wir die Regelung für Tennis in der Halle im Gleichschritt endlich an das anpassen, was andere Bundesländer bereits seit Wochen erlauben“, teilte Ministerin Eisenmann mit.