Zum ersten Mal sind in Deutschland gleich mehrere Personen mit dem Coronavirus infiziert worden. Einem 33-Jährigen aus Bayern geht es nach kurzer, schwerer Bronchitis offenbar wieder gut. An wen wurde der Erreger noch weitergegeben?

München - Die Auskunft, dass es einem Patienten sehr gut gehe, gilt normalerweise als Entwarnung. In diesem Fall nicht. Denn zum einen schiebt der behandelnde Arzt, Clemens Wendtner – „Chefarzt“, wie er selbst betont – gleich auffallend vorsichtig hinterher: „Ich würde das Statement wagen, dass der Mann außer Lebensgefahr ist.“ Die Rede ist von dem ersten der bislang vier Coronavirus-Fälle, die in Deutschland bekannt sind, ein 33-Jähriger aus dem oberbayerischen Landkreis Starnberg. Zudem weiß man bisher recht wenig über die teils tödlich verlaufende Lungenkrankheit, die sich derzeit mit dem Coronavirus von China aus verbreitet.

 

Angesteckt wurden die Mitarbeiter des Automobilzulieferers Webasto vor den Toren Münchens von einer Kollegin aus dem Zweigwerk in China. Nachdem am Abend bekannt wurde, dass sich die Zahl der Infizierten von einem auf vier erhöht hat, gab Webasto bekannt, zum Schutz der Mitarbeiter unter anderem bis kommenden Sonntag den Standort Stockdorf vorübergehend zu schließen. In der Firmenzentrale arbeiten nach Angaben des Unternehmens alle vier betroffenen Personen. Bereits am Montag hatte Webasto nach eigenen Angaben alle Dienstreisen nach und von China für mindestens zwei Wochen vollständig abgesagt.

Am Montag war der Patient wieder auf der Arbeit

Bei den bayerischen Fällen handelt es sich somit um die ersten Mensch-zu-Mensch-Ansteckungen außerhalb Asiens. Die chinesische Kollegin, die die Krankheit übertragen hat, war zu einer Schulung angereist – ohne Symptome, wie Andreas Zapf versichert, der Leiter des bayerischen Landesgesundheitsamts. Erst auf dem Rückflug nach China am Donnerstag vergangener Woche habe die Frau sich krank gefühlt, sei daheim positiv auf das Virus getestet worden – und am Wochenende habe sich, sagt Zapf, auch einer der deutschen Konzern-Mitarbeiter „grippig“ gefühlt. Die Symptome schwerer Bronchitis seien aber schnell wieder abgeklungen: „Am Montagvormittag war der Mann wieder bei der Arbeit.“

Nicht lange allerdings. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Meldekette schon aktiviert: die Chinesen hatten die Firma, die unter anderem Cabriodächer herstellt, informiert, die Firma informierte die Behörden, fünf Stunden danach lag der erste – positive – Test auf das Coronavirus vor. Die Behörden zogen zunächst nur den 33-Jährigen aus dem Verkehr.

Jene drei weiteren infizierten Mitarbeiter folgten wenige Stunden darauf. Auch sie sind Mitarbeiter der Firma Webasto und wurden in einer Klinik in München-Schwabing stationär aufgenommen und medizinisch überwacht und isoliert. Nach aktuellem Stand ist der erste Coronavirus-Patient in einem Isolationszimmer auf einer normalen Infektionsstation, mit Zugangsschleuse und Unterdruck. „Bräuchte man nicht“, sagt Clemens Wendtner, der behandelnde Chefarzt, „aber wir in München sind in der Luxussituation, so etwas vorhalten zu können.“

Sind Gesunde ansteckend?

In dem Fall ergeben sich viele Fragen, auf die es noch nicht viele Antworten gibt. Das wurde am Dienstag bei einer Pressekonferenz deutlich. Neu sei etwa gewesen, sagt Marin Hoch als Chef der seit 2015 bestehenden bayerischen Task Force Infektiologie, dass eine symptomfreie Frau das Virus habe weitergeben können.

Deshalb wird nun überlegt, wen das Virus noch befallen haben könnte. Der verheiratete Mann, der als erster in Deutschland infiziert wurde, hat zum Beispiel ein Kind in einer Kinderkrippe. Mit 40 Personen, so Zapf und Hoch, sei er seit der Schulung am 21. Januar „in engem Kontakt“ gestanden. Mögliche weitere Infizierte müssten jetzt ganz rasch ermittelt werden.

Den engen Kontaktpersonen der Patienten habe man „häusliche Isolierung“ empfohlen, heißt es. Für wie lange? Keiner der Experten in München kann darauf eine Antwort geben. Nur: die bisher bekannte Zeit zwischen Ansteckung und möglichem Krankheitsausbruch liege bei vierzehn Tagen.

Die normale Grippe kommt noch

Panik verbreiten wollen die bayerischen Experten aber auch nicht. Ansteckung sei nach bisherigem Kenntnisstand nur möglich, wenn man direkt und mindestens 15 Minuten einem Menschen gegenüberstehe, der aus der chinesischen Krisenregion komme. Bei schnellen Zufallsbegegnungen, etwa auf offener Straße, sei das Risiko „sehr gering“, sagt Andreas Zapf. Das generelle Tragen von Mundmasken sei nicht sinnvoll.

Fünf Großflughäfen in Deutschland, ergänzt Martin Hoch von der Taskforce, seien für die Aufnahme von kranken Reisenden gerüstet: „Wenn ein Pilot einen Verdachtsfall an Bord meldet, werden genau diese Airports angesteuert.“ Das wären München, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und Berlin.

Und, so sagt Andreas Zapf vom Landesgesundheitsamt, jeder müsse gerade in diesen Wochen nicht nur die üblichen Hygieneregeln zur Vorbeugung einhalten – Händewaschen, Abstand halten, nicht andere Menschen anhusten –, sondern man müsse als Behörde auch „das richtige Maß“ zur Information und zur Warnung der Bevölkerung treffen: „Es rollt ja auch die allgemeine Influenzawelle wieder auf uns zu; da müssen wir unterscheiden können.“

Aber wie zeigt sich der Unterschied zwischen Influenza- und Corona-Virus? „Üblicherweise“, sagt Chefarzt Wendtner, „durch starke Atemwegssymptomatik.“ Also durch Lungenbeschwerden. Möglich sei auch, so ergänzt Andreas Zapf, „dass Personen, die mit dem Corona-Virus angesteckt sind, gar keine großen Symptome entwickeln.“ Der 33-jährige angesteckte Oberbayer jedenfalls muss erst einmal im Krankenhaus bleiben. Und wenn’s nur zur Vorsicht ist. Der Zeitpunkt einer Entlassung sei „derzeit nicht absehbar“, sagt der Chefarzt.