Jetzt also doch: Auch die großen Geschäfte und Kaufhäuser dürfen ihre gesamte Fläche öffnen. Die Stadt wird voller. Die Stimmung hebt sich – aber da fehlt noch was.

Stuttgart - Alles auf Anfang: Die Aufhebung der umstrittenen 800-Quadratmeter-Regelung erlaubt es nun doch auch den großen Häusern, wieder komplett zu öffnen. Manche sind in der Innenstadt bereits seit Montag wieder auf der ganzen Fläche für die Kunden da gewesen, etwa die beiden Kaufhof-Filialen in der Innenstadt. Die anderen, beispielsweise Korbmayer oder Breuninger starteten schrittweise.

 

Bei Breuninger sind nach fast zweimonatiger Komplettschließung von Dienstag an neben dem Stammsitz Stuttgart sechs weitere Standorte komplett zugänglich: Sindelfingen, Ludwigsburg, Reutlingen, außerdem Karlsruhe, Freiburg und Erfurt. Für die anderen Häuser in Düsseldorf, Leipzig, Nürnberg sowie in Sulzbach (Taunus) bleibe es vorerst bei den behördlich limitierten Teilflächen, wie das Unternehmen am Montag mitgeteilt hat.

„Es liegen herausfordernde Wochen hinter uns und wir begrüßen die Entscheidung der Landesregierungen in Baden-Württemberg und in Thüringen sehr“, wird der Breuninger-CEO Holger Blecker zitiert. Man habe mit dem Team schon früh ein umfassendes Hygiene- und Sicherheitskonzept erarbeitet. „Sicherheit hat absolute Priorität.“

Anstregende Übergangslösung

„Wir freuen uns“, sagt Thomas Breuninger, der Geschäftsführer von Tritschler. Und zwar darüber, dass der Fachhändler für Haushaltswaren sein gesamtes Stuttgarter Stammhaus am Montag wieder öffnen durfte. Seit 20. April waren die kleineren Läden an der Königstraße sowie in Esslingen und Heilbronn wieder am Start, das Geschäft am Marktplatz mit einer Teilfläche seit 23. April. Auf einem knappen Drittel der Gesamtfläche hatten die Tritschler- Mitarbeiter versucht, das komplette Sortiment anzubieten, also beraten, dann auf die gesperrte Fläche oder ins Lager rennen, eine Auswahl zeigen. . . „Das war für Verkäufer wie Kunden anstrengend“, bilanziert Breuninger.

Von seinem Arbeitsplatz aus hat er einen guten Überblick darauf, was los ist in der Stadt. „Gefühlt ist da draußen weniger als die Hälfte Frequenz als sonst zu dieser Jahreszeit“. Er hoffe, dass im Geschäft bald wieder mehr verkauft werde; schließlich biete man ein Sortiment für das Leben zuhause an – „und da sind viele Leute ja zurzeit mehr als sonst“. Das Tritschler-Team habe viele Anrufe oder Nachrichten bekommen, dass die Kunden weiterhin regional einkaufen wollten. „Ich sehe keinen weiteren Ruck Richtung online, sondern eher, dass die Menschen merken, was ihnen die Innenstadt bedeutet.“

Davon bekam eine Ahnung, wer sich am Samstag in der City umgeschaut hat. Zwar waren die Parkhäuser leerer als sonst, aber es waren wieder wesentlich mehr Menschen unterwegs. Trotz Maskenpflicht und Ständern mit Desinfektionsmitteln an jedem Ladeneingang: Viele Passanten ließen sich offensichtlich den Stadtbummel nicht vermiesen. Die Stimmung war entspannt. Selbst in den langen Schlangen vor manchen Geschäften sah man gelassene Mienen.

Ein Plausch in der Warteschlange

Vor der Markthalle wurden die Kunden vom Sicherheitspersonal nacheinander eingelassen. In der Reihe zwischen den Absperrbändern begrüßten sich Bekannte – man hat sich ja lange nicht gesehen. Das verdiente Erfrischungsgetränk in der Shopping-Pause hat sich der ein oder andere auch bereits organisiert. So gab es in einem italienischen Restaurant neben Pizza auch Bier in der Flasche to go, das direkt draußen getrunken wurde. Ein Paar saß auf einer Bank, er mit einem Becher Kaffee, sie mit einem – hoffentlich gut gekühlten – Piccolo.

Die inhabergeführten Geschäfte sind mit den Umsätzen recht zufrieden. Viele konnten wie Uwe Maier, der Inhaber der Boutique Bungalow auf ihr Stammpublikum setzen. „Mit dem Garten ist man durch, das Haus ist auf den Kopf gestellt, der Schrank ausgemistet“, so beschreibt Maier den Lockruf der Stadt. Zwar fehlen ihm fünf Woche Umsatz, aber er ist optimistisch. „Wir sind froh und dankbar, dass wir unseren Job wieder machen dürfen – anders als die Gastronomen.“

An die denkt auch Birgit Krauße, die Sprecherin des Stuttgarter Kaffeerösters Hochland. Sie vermisst die Leichtigkeit und die Lebensfreude. „Alles wirkt ein bisschen gebremst.“ Die Holanka-Bar in der Kirchstraße ist wie die anderen Standorte in der Innenstadt geöffnet, bietet aber nur to go an. Das Ladengeschäft ein paar Schritte weiter soll von Mitte der Woche an auf eine Einbahnregelung umgestellt werden, um in dem schlauchartigen Raum den Mindestabstand von zwei Metern zu garantieren. „Wir gucken vorwärts und haben eine traditionelle Kundschaft, die auch gern auf einen Schwatz vorbeikommt“, sagt Birgit Krauße. Allerdings stelle sich ohne die Bars und Cafés das Einkaufserlebnis nicht recht ein. „Die Bühne, das Stadttheater fehlt.“