„Wir Ehrlichen sind die Dummen“, schimpft die Chefin des Kings Clubs. Nach 45 Jahren hat die Wirtin ihr Lokal, eine Institution des Nachtlebens, geschlossen. Das Tanzverbot halte die Gäste fern, klagt sie. Gleichzeitig werde illegal gefeiert.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Laura Halding-Hoppenheit, sonst überschäumend vor Energie und Ideen, hat „die Schnauze voll“. Mit einem rollenden R, das noch heftiger als sonst donnert, sagt die Wirtin, wie sie die Situation in der Pandemie für Clubs einschätzt: „Was sich bei uns tut oder was sich vor allem nicht tut, ist Horrrrror!“

 

Die Entscheidung ist ihr schwer gefallen, aber sie sieht in der momentanen Situation keine andere Möglichkeit: Ihr Kings Club im Exil, den sie während der Sanierung der alten Räume extra zwischen Tagblattturm und Wilhelmsplatz in einer ehemaligen Spielhalle angemietet und im Juli eröffnet hat, ist seit wenigen Tagen dicht. „Die Kosten explodieren und die illegalen Partys auch“, sagt die „Schwulenmutter“. Sie habe die Notbremse ziehen müssen, weil sie nicht jede Nacht drauflegen könne. Ohne Tanz funktioniere der Kings Club nicht, der im Februar dieses Jahres 45 Jahre alt geworden ist.

Stadträtin der Linke setzt sich für OB-Kandidat der CDU ein

Sehr viel hat Laura mit dem KC erlebt in über vier Jahrzehnten: Zeiten des Versteckens, als sich Schwule heimlich in das Kellerlokal schlichen, Zeiten der Krankheit und Ausgrenzung, als Aids die Community in Angst und Trauer versetzte, Zeiten des Stolzes und der Akzeptanz, als die Wirtin mit ihren „Kindern“ mitten in der Gesellschaft angekommen ist. Immer ging es weiter. Doch jetzt ist erst einmal Schluss. Die Stadträtin der Linke, die sich öffentlich bei der Stuttgarter OB-Wahl für den CDU-Kandidaten Frank Nopper einsetzt, sieht keine Chance mehr, mit ihrem KC unter den aktuellen Corona-Bedingungen auf einen grünen Zweig zu kommen.

„Solange wir nicht tanzen dürfen, hat es keinen Sinn, abends aufzumachen“, sagt die Wirtin, „jetzt warte ich erst einmal und hoffe auf eine gute Regelung.“ Stuttgart steht vor einem Clubsterben. Für tot erklärt Laura Halding-Hoppenheit das KC aber nicht: „Anfang der 1970er haben wir auch nicht geglaubt, dass wir überleben. Jetzt gilt es, nicht aufzugeben!“

Clubverband Kollektiv fordert „legale Öffnungsperspektiven“

Der Interessenverband der Stuttgarter Clubs hat einen Drei-Stufen-Plan entwickelt, damit es in der Pandemie ganz langsam zurück zur Normalität gehen kann und damit Existenzen der Gastronomie nicht vernichtet werden. „Aus unserer Sicht ist es umso wichtiger, jetzt legale Öffnungsperspektiven zu geben“, sagt Colyn Heinze vom Club Kollektiv, „sonst wird das mit Schließungen immer so weitergehen.“ Die Idee, Clubs wie eine Bar einzurichten und die Tanzfläche mit Stühlen und Tischen zu verbauen, scheint nur selten zu funktionieren. Gleichzeitig machen Videos von illegalen, als privat getarnten Tanzpartys die Runde, die jedes Wochenende auch in Stuttgart stattfinden.

Laura Halding-Hoppenheit hofft, eines Tages zurück in die Räume ihres alten Kings Clubs zurückkehren zu können. An der Sanierung will sie festhalten. Nach der Schließung des KC im Exil wird in der Ausgehszene diskutiert, ob man die Wirtin nicht besser hätte unterstützen sollen, indem man öfter solidarisch in ihr Lokal geht, statt bei illegalen Partys zu feiern. Travestiekünstlerin Frl. Wommy Wonder beklagt mangelnden Zusammenhalt in der Community. Zu hören ist aber auch, dass die Interimsstätte des Kings Clubs nicht das nostalgische Flair wie das Original habe und daher nicht so attraktiv sei. Die „Schwulenmutter“ ist dafür bekannt, eine Kämpferin zu sein. Und deshalb kämpft sie für ein Comeback. Doch keiner weiß, wie lange es dauern wird, bis der „Horrrror“ aus ihrem Mund nicht mehr ganz so wütend klingt.