In kurzer Zeit hat sich die Pandemielage wieder verschärft. Derzeit gelten 2277 Personen in Stuttgart als ansteckend, so viele wie noch nie. Die Stadt denkt über die Wiedereinführung der Maskenpflicht im Schulunterricht nach den Herbstferien nach.
Stuttgart - Die vierte Coronawelle nimmt auch in Stuttgart und in der Region rasant an Fahrt auf. Am Mittwoch war die Sieben-Tage-Inzidenz in der Landeshauptstadt auf 168 Fälle pro 100 000 Einwohner gestiegen, bei 220 Neuinfektionen am Tag. Am Donnerstag kletterte dieser Wert dann sogar auf 180,4 Fälle, bei weiteren 249 Neuinfektionen.
Die Inzidenz liege damit auf dem Niveau von Mitte Mai, das Wachstum der Tageswerte sei vergleichbar mit der Situation vor einem Jahr. Diese Einschätzung durch die Stadt rührt vor allem daher, dass man mit 2277 aktiven Infektionsfällen in Stuttgart – so viele Menschen gelten aktuell als ansteckend – den bisher höchsten Wert überhaupt erreicht hat. Der Leiter des städtischen Gesundheitsamts, Stefan Ehehalt, rechnet auch in der nächsten Zeit „mit einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen und mit einer weiteren Belastung des Gesundheitssystems“. Auch die Hospitalisierungsrate, also der Anteil der Infizierten, die in einem Krankenhaus behandelt werden müssen, hat in den vergangenen Tagen landesweit zugenommen. Das gilt insbesondere auch für die Intensivstationen.
Wieder deutlich mehr Schulen betroffen
Am stärksten ist die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Ungeimpften gestiegen, die sich innerhalb von einer Woche von 183 auf 312 Fälle fast verdoppelt hat. Mehr als die Hälfte dieser Fälle (54 Prozent) werden bei den 20- bis 49-Jährigen verzeichnet. Für diese Gruppe bestehe „bereits seit Langem eine Impfempfehlung“. Bei den Geimpften stiegt die Inzidenz von 48 auf aktuell 62 Fälle.
Deutlich verändert hat sich auch die Infektionsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen. Am Montag hieß es im Sozialausschuss des Gemeinderats noch, die Infektionszahlen bei den Schülern gingen eher zurück. Das sieht nun anders aus. Die Zahl der von Infektionsfällen betroffenen Schulen hat um fünf auf 78 zugenommen, die dort registrierten Infektionsfälle um 22 auf 215. „Jede zehnte Infektion betrifft eine Schülerin oder einen Schüler“, erklärt Stefan Ehehalt. Allerdings fügt er auch an: „Die Inzidenz der Kinder und Jugendlichen sticht in der Analyse hervor, ist aber vor allem Ausdruck der allgemein steigenden Inzidenz.“
Schule nicht in jedem Fall der Ort der Ansteckung
In der Stadtverwaltung denkt man dennoch darüber nach, ob nach den Herbstferien die Maskenpflicht während des Unterrichts in der Schulbank doch wieder eingeführt werden soll. Man will aber zunächst das Vorgehen des Landes und die weitere Entwicklung abwarten. Zumal die Schule selbst gar nicht in jedem Fall der Infektionsort ist. Nur etwa drei Prozent der Ansteckungen könnten klar auf Kontakte in der Schule zurückgeführt werden.
Nach Altersgruppen ist die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Jüngeren innerhalb von einer Woche aber am stärksten gestiegen: bei den Sechs- bis Neunjährigen von 179,4 auf 304 Fällen pro 100 000 Personen, bei den Zehn- bis 19-Jährigen von 210,8 auf 378,3. Wobei anzumerken ist, dass sich diese besonders hohen Inzidenzen auch durch die Testpflicht und die hohe Testfrequenz in den Schulen erklären lässt.
Lage in den Kitas stabil
Und auch bei den in absoluten Zahlen größeren und älteren Gruppen, die sozial sehr mobil sind, haben die Werte enorm zugelegt. So ist die Inzidenz bei den 20- bis 39-Jährigen in einer Woche von 118,6 auf 194,3 Fälle pro 100 000 Einwohner gestiegen, bei den 40- bis 59-Jährigen von 99,5 auf 156,8. Alle anderen Altersgruppe, also die ganz Kleinen und die Älteren liegen bei der Inzidenz etwas über oder unter 50 Fällen.
Stabil ist die Lage in den Kitas. Die Zahl der von Infektionsfällen betroffenen Einrichtungen ist mit 21 gleich geblieben, die Zahl der Fälle mit 32 nur um einen Zähler angewachsen. Auch in den Altenpflegeheimen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen sei die Lage „weitgehend unter Kontrolle“.
Insgesamt ist das Infektionsgeschehen diffus. Etwa 70 Prozent der Betroffenen können nicht sagen, wo sie sich angesteckt haben. Etwa jeder Sechste gibt als Ort der Infektion den eigenen Haushalt an.
Appell an Bürgerinnen und Bürger
Amtsleiter Stefan Ehehalt appelliert an die Menschen: „Es ist jetzt an jedem von uns, das Infektionsgeschehen zu senken und einen Beitrag zur Eindämmung des Virus zu leisten.“ Ungeimpfte sollten die bestehenden Impfangebote wahrnehmen, Geimpfte aus Risikogruppen einen dritten Piks. In den anstehenden Herbstferien sollten Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten und unnötige Kontakte vermieden werden.
Ehehalt geht davon aus, dass im Land in den nächsten Tagen die Coronawarnstufe erreicht wird, wenn landesweit die Zahl von insgesamt 250 Intensivpatienten erreicht oder überschritten wird. Dann muss für die Erfüllung des 3-G-Regel ein PCR-Test vorgelegt werden, nicht nur ein Schnelltest. Nicht Immunisierte dürfen sich nur noch mit weiteren fünf nicht immunisierten Personen und dem eigenen Haushalt treffen. In Diskotheken gilt die 2-G-Regel, diese sind dann nur noch für Geimpfte und Genesene offen.