Krankenhäuser und andere Einrichtungen sind für die öffentliche Versorgung besonders wichtig und müssen rund um die Uhr funktionieren. Damit das auch bei einer Epidemie der Fall ist, tüfteln sie bereits an Notfallplänen.

Böblingen - Das Sozialministerium hat am Donnerstagabend den ersten Fall einer Person aus dem Landkreis Böblingen gemeldet, die mit dem Coronavirus infiziert ist. Der Fall stehe im direkten Zusammenhang mit dem Göppinger Cluster – es handle sich bei dem Fall um eine Kontaktperson zu der Reisebegleiterin des Falles aus Göppingen. Der junge Mann aus Steinenbronn weise keinen schweren Symptome auf, schreibt das Böblinger Gesundheitsamt. Der Mann werde die kommenden 14 Tage in häuslicher Isolation bleiben und durch das Gesundheitsamt begleitet.

 

Auch ohne Corona-Fälle wächst die Zahl der Patienten in den Notaufnahmen seit dieser Woche in den Kliniken des Kreises Böblingen mindestens um den Faktor fünf. Ursache ist vor allem das saisonale Influenzavirus. Wenn jetzt noch Corona-Fälle dazukommen, heißt es: Notfallpläne aus der Schublade holen.

Doch nicht nur die Krankenhäuser arbeiten zur Zeit am Thema. Wenn, wie jetzt passiert, das Coronavirus im Kreis Böblingen auftaucht, ist im Krisenfall das Landratsamt die federführende Behörde mit seinem Amt für Feuerwehr und Bevölkerungsschutz sowie dem Gesundheitsamt, um eine Corona-Epidemie einzudämmen. Weil bei den meisten bei einer Corona-Erkrankung lediglich leichte Symptome wie Husten oder Schnupfen auftreten, kann eine Corona-Infektion leicht mit einer normalen Erkältung verwechselt werden. Um die Gesundheitsversorgung im Sindelfinger Klinikverbund aufrechtzuerhalten, treffen sich derzeit täglich die Leitung der Südwestklinik mit dem Gesundheitsamt und dem Katastrophenschutz. Verschiedene Szenarien werden durchgespielt.

„Coronavirus ist nicht die einzige Krankheit“

Schon jeden Verdachtsfall würden die Ärzte auf eine Isolierstation verlagern, wenn das Virus in den Kreis gelangt. Würde zusätzliches Personal benötigt, versuchten die Stationsleitungen Ärzte und Personal aus dem Urlaub zu holen. Auch manche Operationen würden um Wochen verschoben, um zusätzliches Personal zu akquirieren.

„Das Coronavirus ist nicht die einzige Krankheit“, sagt der Klinikumssprecher Ingo Matheus. Auch Schlaganfälle und Krebspatienten müssten weiterhin behandelt werden. Es gehe darum, abzuwägen, welche Behandlung Vorrang habe. Für den Fall, dass mehrere Ärzte und Pfleger in Kontakt mit dem Virus gekommen sein sollten und ihrer Arbeit nicht nachkommen könnten, würden Mitarbeiter ohne Krankheitssymptome weiterhin ihrem Dienst nachgehen und nicht isoliert werden. „Am Ende müssen wir sicherstellen, dass ein Virus die Klinik nicht lahm legt“, sagt Ingo Matheus.

Fragen nach einer Versorgung stellen sich auch andere Organisationen, die für das öffentliche Leben wichtig sind, im Verwaltungsdeutsch auch kritische Infrastrukturen genannt. Dazu zählen Strom- und Wasserwerke aber auch Kommunikationsanbieter. Auch dort wird zum Teil schon jetzt über Notfallpläne diskutiert. Die Kläranlage der Städte Sindelfingen und Böblingen tüftelt im Moment an Maßnahmen, die einen Betrieb auch dann ermöglichen, wenn ein Großteil der Belegschaft krank wäre. „Für einen Notbetrieb kämen wir ohne zehn Leuten aus“, sagt der Klärwerksleiter Gert Schwentner. Mit einem Notfallplan will er vor allem sicherstellen, welche Dienstleistungen Vorrang hätten und wie man andere Mitarbeiter vor Ansteckungen schützt. Bei 34 Angestellten wäre man in der Lage, auch bei einem Notfall, die Arbeit umzuschichten. „Probleme hätten eher kleinere Betriebe“, sagt Schwentner.

Wie machen es kleine Unternehmen?

In Kläranlagen wie in Aidlingen teilen sich etwa zwei Mitarbeiter die Arbeit. Wenn dort einer ausfällt, müssen Nachbarkommunen aushelfen. Was passiert, wenn auch die niemanden schicken? Eine Antwort darauf hat bislang scheinbar niemand. „Wir gehen davon aus, dass die kommunalen Unternehmen die entsprechend der aktuellen lokalen Situation notwendigen Maßnahmen treffen“, heißt es vom Verband der kommunalen Unternehmen in Baden-Württemberg.

Zahlreiche Organisationen wie die Stadtwerke in Sindelfingen verweisen darauf, dass sie nicht davon ausgingen, dass das Coronavirus die Belegschaft so dezimiere, dass eine Notversorgung unmöglich sei. Wichtig wäre, die Epidemie nicht weiterzutragen.

Hier setzt die Strategie des Landratsamtes an, das im Kreis auf die Hausärzte setzt. Wer glaubt, infiziert zu sein, der solle zunächst den Hausarzt anrufen und mit ihm einen Termin vereinbaren. Er soll keinesfalls ins Wartezimmer gehen, wo er möglicherweise andere Patienten ansteckt, sondern daheimbleiben, „der schlimmste Fall aus unserer Sicht wäre, wenn die Bürger mit dem öffentlichen Nahverkehr in die Notarzt-Ambulanzen der Krankenhäuser führen“, sagt Benjamin Lutsch, der Pressesprecher des Landratsamtes. Im Zug oder Bus würden sie andere Fahrgäste anstecken, in den Notfallambulanzen die Rettungswege für die echten Notfälle blockieren, wie Herzpatienten oder Patienten mit schweren Verletzungen. Hat die Hausarztpraxis geschlossen, sollen die Menschen die Notfallpraxen konsultieren.

Feuerwehr will die Einsatzgruppen nicht durchmischen

Ebenso vorbereitet ist das Rathaus Sindelfingen. Wie die Pressesprecherin Nadine Izquierdo berichtet, gibt es Pläne, welche Ämter unter allen Umständen offengehalten werden müssen, dazu zählt beispielsweise das Standesamt, das Geburten und Todesfälle verzeichnet. Bei der Feuerwehr werde darauf geachtet, dass sich die Einsatzgruppen nicht durchmischten, damit ein Erkrankter nicht die ganze Feuerwehr infiziere, sondern nur die Mitglieder seiner Einsatzgruppe.

Ebenfalls in umfangreichen Abstimmungen mit dem Landratsamt Böblingen befindet sich die Böblinger Stadtverwaltung, wie der Pressesprecher Fabian Strauch berichtet. Intern habe der Betriebsarzt die Mitarbeiter auf Hygiene-Maßnahmen hingewiesen: richtiges und häufiges Händewaschen, Stoßlüften der Büroräume und Abstand zu Menschen mit Husten und Schnupfen.