Sind Schulen Corona-Hotspots? Darüber wird derzeit erbittert gestritten. Ein Problem ist die dünne Faktenlage. Einige aktuelle Zahlen für Baden-Württemberg lassen trotzdem interessante Schlüsse zu.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Dass Kitas und Schulen während des aktuellen Teil-Lockdowns weiterhin geöffnet sind, empfinden viele berufstätige Eltern als Segen. Andere sorgen sich um die Gesundheit ihrer Kinder und fürchten, dass mögliche Ansteckungen in die eigene Familie getragen werden. Beim Bund-Länder-Gipfel diesen Montag sollen auch weitere Regelungen für den Schulbetrieb besprochen werden. Auch wenn es derzeit nicht nach Schulschließungen aussieht: Nicht nur Politiker, sondern auch Eltern und Lehrer diskutieren erbittert darüber, wie groß das Corona-Problem an den Schulen (und in den Kitas) überhaupt ist, also beispielsweise wie wahrscheinlich Ansteckungen in diesem Umfeld wirklich sind.

 

Ein Problem: die Faktenlage ist reichlich dünn. Das Kultusministerium Baden-Württemberg bleibt bis heute detaillierte Zahlen zu Corona-Quarantäne und Fernunterricht schuldig. Veröffentlicht werden nur grobe, landesweite Zahlen – etwa, dass Stand Freitag 584 Klassen an 439 Schulen wegen Corona-Infektionen „vorübergehend aus dem Präsenzbetrieb herausgenommen“ worden seien.

Solche Zahlen sind wichtig, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie gut der diesen Herbst geplante Regelbetrieb an Schulen in den einzelnen Landesteilen aufrechterhalten werden kann. Doch sie würden nur wenig helfen, um das Infektionsrisiko an Schulen abzuschätzen. Das Problem: zwar gibt es Studien dazu, etwa vom Bonner Institute of Labor Economics. Die Daten wurden allerdings im Sommer erhoben – die Werte sind also nur bedingt oder gar nicht auf die kalte Jahreszeit und insbesondere die derzeitige Phase mit insgesamt hohen Infektionszahlen übertragbar.

Kaum Ausbrüche in Schulen bekannt

Auch die Analyse von Corona-Ausbrüchen in bestimmten Einrichtungen hilft kaum bei der Bewertung weiter. Insgesamt ergibt eine aktuelle Auswertung des Landesgesundheitsamts Baden-Württemberg, dass so gut wie keine Corona-Ausbrüche in Schulen oder Kitas selbst bekannt sind. Allerdings kann wegen der gestiegenen Fallzahlen nur noch für den kleineren Teil der Infektionen das exakte Infektionsumfeld ermittelt werden – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die neben Kita, Kindergarten und Schule in ihrer Freizeit oftmals weitere Kontakte haben.

1000 Ansteckungen in einer Woche – mindestens

Der Blick auf die Infektionszahlen vermittelt zumindest ein Bild von der Lage in den entsprechenden Alters- und Berufsgruppen. Das Landesgesundheitsamt veröffentlicht einmal wöchentlich die Zahlen für bestätigte Infektionen unter Lehrern und Erziehern, Schul- und Kitakindern. Das ist im Infektionsschutzgesetz so vorgeschrieben.

Vergleicht die beiden neuesten Werte, haben sich in der letzten Woche 337 Pädagogen und 733 Kinder infiziert. Allerdings betont das Landesgesundheitsamt, dass es sich dabei um eine Mindestzahl handelt – weil nicht für alle Infizierten entsprechende Angaben vorliegen. Zudem bedeuten die Zahlen nicht, dass die Personen sich auch in Kitas, Kindergärten oder Schulen angesteckt haben.

Das sagen die Infektionszahlen

Es bleibt der Blick auf Infektionen in bestimmten Altersgruppen. Die Zahlen kann man aus dem System „SurvStat“ des Robert-Koch-Instituts beziehen. Wir haben für die relevanten Altersgruppen zwischen 0 und 19 Jahren den Anteil der Infizierten gemessen an allen Personen in der jeweiligen Altersgruppe ausgerechnet, die sogenannte 7-Tage-Inzidenz.

Der Verlauf ist im folgenden Schaubild dargestellt, einschließlich der Entwicklung die Gesamtbevölkerung in Baden-Württemberg:

Es zeigt sich, dass mit Ausnahme der Über-15-Jährigen (im Schaubild „Klasse 10 bis 13“) die Inzidenz bei allen Altersgruppen unter den Werten für die Gesamtbevölkerung liegt. Insgesamt steigt der Anteil der Infizierten mit zunehmendem Alter. Das kann insbesondere bei Kita- und Kindergartenkindern damit zu tun haben, dass eine Diagnose schwerfällt – etwa weil die Kinder kaum Symptome ausbilden oder typische Symptome wie Geschmacksverlust nicht schildern können. Möglicherweise wird auch schlicht weniger getestet.

Insgesamt sind Schüler in Baden-Württemberg deutlich weniger stark vom Coronavirus betroffen als die Gesamtbevölkerung. Das gilt zumindest für die per Labortest bestätigten Neuinfektionen. Die in Österreich durchgeführte „Gurgelstudie“ weist ähnlich wie eine Studie des Uniklinikums Heidelberg vom Frühsommer indes darauf hin, dass die Dunkelziffer wegen der vielen milden oder symptomlosen Verläufe hoch sein kann.