Ende September wurden die letzten Spritzen in den Impfzentren aufgezogen. Nach mehr als 8,2 Millionen Impfungen war Schluss. Damals war das Interesse gering, aber es gab auch warnende Stimmen. Die kritisierte Landesregierung verteidigt den Schritt.

Stuttgart - Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat das Schließen der Impfzentren im vergangenen Sommer verteidigt. „Da sind ja nur noch eine Handvoll Leute eigentlich hingegangen. Da kann man doch nicht solch eine gigantische Infrastruktur machen“, sagte er in der am Dienstag ausgestrahlten SWR-Sendung „Leute“. Das Angebot sei heute mit mobilen Impfteams und kleineren Impfstützpunkten in den Kommunen viel flexibler.

 

Die Stiftung Patientenschutz warf Kretschmann daraufhin vor, „wie ein trotziger Pennäler“ an seinem Standpunkt festzuhalten. Stiftungsvorstand Eugen Brysch warnte vor der absehbaren Welle an Impfungen, sollten Pflichtimpfungen und zwei weitere notwendige Booster-Termine Impfungen für alle Geimpften zusammenkommen. „Das Impfangebot ist auf Kante genäht“, sagte Brysch der dpa. „Wie das im nächsten Jahr laufen soll, ist fraglich.“

Bestürzt über hohe Zahl Ungeimpfter

Kretschmann zeigte sich in dem Radio-Interview allerdings zuversichtlich, bis zum Jahresende in Baden-Württemberg zunächst mehr als drei Millionen Menschen mit einer Auffrischungsimpfung zu versorgen. Zudem gebe es sehr viele Wochenendtermine. „Das ist eine unglaubliche zusätzliche Kapazität“, sagte Kretschmann. Bis zum Montag (Stand: 16.00 Uhr) sind in Baden-Württemberg 1,78 Millionen Menschen „geboostert“ worden.

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Der Regierungschef äußerte sich bei der Aufzeichnung der Sendung am Montag zudem bestürzt über die hohe Zahl ungeimpfter Menschen in Baden-Württemberg. „Das beschwert mich unglaublich, dass so viele Leute einem Eigensinn nachgehen, der rational nicht mehr erklärbar ist“, sagte er. Kretschmann widersprach auch dem Argument, Impfen sei Privatsache und der Staat habe eine Ablehnung zu akzeptieren: „Das ist nicht so. Der Ungeimpfte gefährdet auch andere, indem er sie einfach ansteckt.“ Daher sei es nicht mehr eine Privatangelegenheit. „In einer Pandemie bin ich eben mit meiner Ansteckung nicht mehr allein“, sagte der Grünen-Politiker.

In diesem Zusammenhang plädierte Kretschmann erneut für eine Impfpflicht. „Das sind tiefe Eingriffe in Grundfreiheiten“, sagte er. Das Virus wandle sich so sehr, dass kein Weg mehr an einem solchen Schritt vorbeiführe, „sonst kommen wir aus dem Schlamassel nie raus“.