Die einen versuchen es zeitgleich bei Impfzentrum und Hausarzt, die anderen stehen im Stau, haben einen früheren Termin verschwitzt oder die Impfung vielleicht auch einfach vergessen. Immer wieder müssen Ärzte Ersatz für ihre Patienten suchen. Und finden sie ihn auch?

Bruchsal - Millionen Menschen in Baden-Württemberg warten seit Monaten auf einen ersehnten Impftermin. Und sie werden weiter warten müssen, denn nach wie vor kommt der Impfstoff für Ärzte und Zentren in viel zu kleinen Lieferungen. Doch es gibt auch immer wieder Menschen, die ihre Termine für die Spritze im Impfzentrum und auch bei Hausärzten nicht wahrnehmen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums handelt es sich um Einzelfälle, aus den Impfzentren sind aber auch andere Eindrücke zu hören. Sicher sei aber, dass am Ende des Tages nichts übrig bleibe, heißt es einstimmig.

 

Im Impfzentrum in Ulm werden 2700 Spritzen am Tag gesetzt, weitere 800 bis 900 Impfungen übernehmen die mobilen Teams. Die Quoten der nicht wahrgenommenen oder abgesagten Termine liege konstant bei 3 oder 4 Prozent, wenn Moderna oder das Biontech-Vakzin in die Spitze aufgezogen werden soll, sagt Hagen Feucht, der Organisatorische Leiter des Impfzentrums. Beim lange umstrittenen Astrazeneca-Impfstoff müssten neun Prozent der Termine am Tag neu oder anderes besetzt werden. Probleme sieht er nicht: „Wir bereiten den Impfstoff erst zu, wenn die Person auch erschienen ist. Das hat sich bewährt.“

Kritik an der Freigabe

Allerdings spart Feucht nicht mit Kritik an der Freigabe der Impfstoffe für alle zum 7. Juni. „Wer jetzt berechtigt ist, geimpft zu werden und noch keinen Termin hat, der bekommt derzeit kaum einen Termin wegen des fehlenden Impfstoffs“, sagt Feucht. „Und später hat er kaum eine Chance, wenn sich alle auf die Termine stürzen.“ Für Supermarktkassiererinnen oder Busfahrer sei das ein ganz schlechtes Zeichen.

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Im Klinikum Stuttgart bleibt auch nichts liegen, wie Sprecherin Annette Seifert versichert. Im Impfzentrum werde stets frisch aufgezogen. „Da bleibt nichts übrig.“ Probleme mit der Nichtwahrnehmung von Impfterminen gebe es nicht. „Das Interesse an einer Impfung ist so gewaltig, dass alle abgesagten oder nicht wahr genommenen Impftermine sofort durch andere Impfwillige aufgefüllt werden können.“ Auch Begleitpersonen würden Termine in diesen Fällen angeboten, sofern sie berechtigt seien. Mit dem Astrazeneca-Impfstoff werde ebenfalls „gerne und häufig geimpft“, heißt es im Klinikum, das eines der neun Zentralen Impfzentren im Land betreibt.

Nachfrage größer als Angebot

Zahlen zu nicht wahrgenommenen Terminen liegen dem Gesundheitsministerium nicht vor, es spricht aber von einem „verschwindend geringen Anteil“. „Die Person ist dann meistens krank oder hat einen wirklich wichtigen anderen Termin, für den man die Impfung nicht antritt“, sagt ein Sprecher. Es sei in diesen Fällen in der Regel kein Problem, die Lücke zum Beispiel über Wartelisten zu füllen. „Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Kein Impfstoff wird einfach so verworfen, weil jemand nicht kommt. Viele Menschen fahren auch extra weiter entfernte Impfzentren an, wenn es dort Termine gibt“, sagt er.

Seit der Freigabe der Impfpriorisierung bei Hausärzten organisieren sich Menschen allerdings bisweilen auch parallel zum Impfzentrum einen Termin beim Hausarzt. „Selbst Biontech-Termine werden bei uns nicht wahrgenommen, weil die Menschen vielleicht schon bei ihrem Hausarzt einen Termin bekommen haben“, sagt Dieter Hassler, der Leiter der beiden Impfzentren im Landkreis Karlsruhe. An manchen Tagen kämen bis zu zehn Prozent der geplanten Patienten nicht. „Das ist erstmal keine große Menge, aber für unsere Planungen schon relevant“, sagte der Allgemeinmediziner. „Wir haben aber niemals Impfstoff vernichtet“, betont er.

Unterschiedliche Herangehensweisen

Zum einen versuchten die Mitarbeiter gegen Mittag zu kalkulieren, wie viele Impfdosen noch bis zum Abend benötigt würden, um nicht zu viele Spritzen aufzuziehen. Zum anderen arbeiteten die Impfzentren in Bruchsal und Sulzfeld mit den Maltesern zusammen. „Da führt eine Frau eine Warteliste. Die rufen wir dann an und die Frau ruft die Menschen an.“ Eine ähnliche Kooperation gebe es mit zwei Hausärzten in der Nähe. Auch an ein Dialysezentrum seien schon überschüssige Impfdosen abgegeben worden.

Die Mediziner und Projektleiter haben eben unterschiedliche Wege, um mögliche Ausfälle aufzufangen, wie Manfred King sagt, der Sprecher des baden-württembergischen Hausärzteverbands. „Der Schlüssel sind hier die individuellen Lösungen der Praxen. Von Wartelisten bis Maillisten ist alles möglich.“

Aus dem Ulmer Impfzentrum berichten Mitarbeiter, sie würden sich bei freien Terminen auch bei Bekannten und Verwandten umhören. In den vergangenen Wochen sei das immer wieder vorgekommen, erzählt ein Helfer, der als Einweiser und in der Registrierung arbeitet. Er selbst habe bereits mehreren Bekannten zum Impfstoff verholfen - und dieses Impfangebot auf dem kurzen Dienstweg läuft dann ohne Priorisierung. Am Ende des Tages blieben keine Dosen übrig, betont er und fügt hinzu: „Ich habe noch nie gehört, dass eine Spritze weggeschmissen wurde.“