Von diesem Montag an dürfen kleinere Geschäfte wieder öffnen - in den Bundesländern gelten aber unterschiedliche Vorgaben. Einen Run auf die Innenstädte erwarten Städte nicht, die Kritik reißt nicht ab.

Berlin - Der Deutsche Städtetag rechnet bei der Wiedereröffnung kleinerer Geschäfte von diesem Montag an mit Zurückhaltung der Kunden. „Wir gehen davon aus, dass die Bevölkerung die wiedergewonnenen Möglichkeiten ab Montag gerne nutzen wird“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. „Aber wir erwarten jetzt auch nicht den riesigen Ansturm: Die Geschäfte, die jetzt wieder öffnen, sind eine Woche später noch genauso erreichbar.“ Die Städte rechneten damit, dass diese ersten Lockerungen auch mit der weiter gebotenen Vorsicht genutzt werden.

 

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Bund und Länder hatten sich darauf geeinigt, dass von diesem Montag an kleinere Geschäfte mit einer Ladenfläche von bis zu 800 Quadratmetern wieder öffnen dürfen. Ebenfalls erlaubt ist dies - unabhängig von ihrer Größe - auch Kfz- und Fahrradhändlern sowie Buchhandlungen. Letztlich entscheiden aber die einzelnen Bundesländer, wie sie die Lockerungen konkret gestalten.

Warenhäuser scheitern mit Eilanträgen

Eilanträge gegen die Verordnungen zur Schließung von Warenhäusern wegen der Corona-Krise haben Oberverwaltungsgerichte (OVG) in Berlin und Greifswald zurückgewiesen. Das OVG Berlin-Brandenburg nannte die Schließung mit Blick auf den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung verhältnismäßig. Unter anderem die angeschlagene Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof war in mehreren Bundesländern gerichtlich gegen die Schließung ihrer Filialen in der Corona-Krise vorgegangen.

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In einem Eilverfahren, in dem sich Galeria Karstadt Kaufhof am Verwaltungsgericht Minden gegen die Vorgaben der Stadt Bielefeld gewehrt hatte, schränkte das Gericht die Befugnisse der Stadt ein: Es sei nicht möglich, Ausnahmeregeln, die das Land NRW in seiner Corona-Schutzverordnung erlaubt hatte, ohne triftige Gründe auszuhebeln. Dabei ging es darum, dass Bielefeld Kaufhäusern etwa auch die Auslieferung bestellter Produkte oder den Verkauf von Waren aus dem Lebensmittelsegment untersagen wollte.

Kritik kommt aus den Wirtschaftsverbänden

Der Städtetag begrüßte die Lockerungen, die von diesem Montag an in den meisten Bundesländern gelten. „Menschen brauchen lebendige Innenstädte. Wenn jetzt wieder mehr Geschäfte im Einzelhandel öffnen werden, wird das Allen gut tun: den Menschen, die einkaufen möchten, den Einzelhändlern, ihren Beschäftigten und den Städten“, sagte Dedy.

Aus Wirtschaftsverbänden kommt weiter Kritik. Das Kriterium von 800 Quadratmetern Verkaufsfläche für Geschäfte, die wieder öffnen dürfen, sei willkürlich gewählt, sagte der Hauptgeschäftsführer des Mittelstandsverbundes, Ludwig Veltmann, der Deutschen Presse-Agentur. Dies werde zu Wettbewerbsverzerrungen führen - beispielsweise bei sich überlappenden Sortimenten in nun wiedereröffneten Geschäften einerseits und weiterhin geschlossenen Geschäften andererseits.

Kretschmann verteidigt Vorgaben

Ministerpräsident Winfried Kretschmann verteidigte die Vorgabe. „Das ist keine gegriffene Größe“, betonte der Grünen-Politiker am Samstag. In der Rechtsprechung gälten Einzelhandelsbetriebe mit mehr als 800 Quadratmetern als großflächig. „Sinn dieser Regelung ist es, dass nicht alle Geschäfte gleichzeitig öffnen, weil das einen Sog auf unsere Haupteinkaufsstraßen und Einkaufszentren zur Folge hätte.“

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angesichts der Forderungen nach weiteren Lockerungen vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Trotz einer Stabilisierung der Infektionszahlen bewege man sich immer noch auf einem schmalen Grat. „Solange es keinen Corona-Impfstoff und kein Medikament gibt, müssen wir die Beschränkungen fortsetzen und für eine kontrollierte Entwicklung sorgen“, sagte Söder der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). Söder äußerte Verständnis für Klagen aus der Wirtschaft, die bisherigen Lockerungen gingen nicht weit genug. Bund und Länder leisteten jedoch für die Wirtschaft mehr als jedes andere Land der Welt.

Warnungen vor zu schnellem Ausstieg

Auch der „Wirtschaftsweise“ Achim Truger warnte, Forderungen nach einem schnellen Ausstieg aus den Einschränkungen nachzugeben. Die Politik müsse jetzt standhaft sein. „Sonst riskieren wir tatsächlich Menschenleben und einen zweiten, weitaus schlimmeren Shutdown“, sagte der Ökonom der „Rheinischen Post“ (Samstag).

Aus Sicht des stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Michael Theurer, kritisieren Wirtschaftsverbände die Vorgaben zu Recht. „Die Festlegung auf 800 Quadratmeter ist willkürlich, genauso wie die Vorgabe, welche Geschäftsarten wieder öffnen dürfen.“ Erforderlich seien nachvollziehbare Regeln - etwa was Hygiene, Abstands oder die Kontaktbegrenzung angehe. Der CDU-Wirtschaftsrat pocht darauf, auf Größenvorgaben bei Verkaufsflächen zu verzichten und Öffnungen allein von der Einhaltung von Hygiene- und anderen Schutzmaßnahmen abhängig machen. Außerdem dürfe es keinen bundesweiten Flickenteppich geben, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.