Coronavirus in Europa EU-Kommission will bis Sommer 70 Prozent der Erwachsenen impfen

Schnell mehr impfen und gleichzeitig wachsam bleiben: Brüssel drängt die EU-Staaten erneut, im Kampf gegen die Corona-Pandemie an einem Strang zu ziehen. Die Virus-Variationen bereiten Sorgen.
Brüssel - Ein Kraftakt beim Impfen soll die Corona-Pandemie in der Europäischen Union binnen weniger Monate wirksam eindämmen. „Unser Ziel ist, bis zum Sommer 70 Prozent unserer erwachsenen Bevölkerung geimpft zu haben“, erklärte Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag in Brüssel. „Das könnte die Wende in unserem Kampf gegen das Virus sein.“
Zugleich warnte die Brüsseler Behörde dringend vor mindestens drei neuen, besonders ansteckenden Virusmutationen. „Wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, können wir das Risiko einer möglicherweise noch härteren dritten Infektionswelle womöglich nicht mehr eindämmen“, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides.
400.000 Corona-Tote in der EU
Schon jetzt sind in der EU im Zusammenhang mit dem Coronavirus mehr als 400.000 Menschen gestorben. Die Kommission machte ihre neuen Vorschläge vor einem EU-Videogipfel am Donnerstag, bei der die EU-Staats- und Regierungschefs erneut das gemeinsame Vorgehen beraten wollen. Topthema ist die Beschleunigung der Impfkampagne.
Dies soll mit Zulassung weiterer Impfstoffe und dem Ausbau der Produktion geschehen. Schon Ende Januar könnte das Mittel von Astrazeneca für den europäischen Markt genehmigt werden. Kommissionsvize Margaritis Schinas sieht ein baldiges Ende der Knappheit an Impfstoffen: „Am Ende des ersten Quartals wird Europa eine beeindruckende Menge von Dosen haben.“
Debatte um möglichen Impfpass
Bereits bis März soll ein erstes Impfziel erreicht sein: 80 Prozent der Menschen über 80 Jahre und des Medizin- und Pflegepersonals. Die Frist für das zweite Ziel - 70 Prozent der Erwachsenen - ist recht weich: Sommer sei die Zeit von Juni bis Ende August, sagte Schinas auf Nachfragen.
Daneben soll es beim Videogipfel auch um einen gemeinsamen Impfpass und mögliche Privilegien für Geimpfte gehen. Die Kommission plädiert für ein gemeinsames Impfzertifikat und eine Einigung der EU-Staaten bis Ende Januar. So könnten die Zertifikate rasch nutzbar werden „in den Gesundheitssystemen in der EU und darüber hinaus“.
EU-Kommission ist gegen Grenzschließungen
Aus dem Impfdokument soll erkennbar sein, wer wann in welchem EU-Staat welchen Impfstoff bekommen hat, auch um etwaige Nebenwirkungen zurückzuverfolgen. Ob Geimpfte Vorteile genießen - zum Beispiel Zugang zu Restaurants und Kinos oder erleichterte Urlaubsreisen - ist in den EU-Staaten allerdings umstritten.
Mit Blick auf die neuen Virusmutationen drängt die Kommission die Mitgliedsstaaten, mehr Virusproben genauer zu untersuchen. Nötig ist dafür die sogenannte Genom-Sequenzierung. Die EU-Staaten sollten mindestens fünf, besser zehn Prozent der positiven Testergebnisse sequenzieren. Bisher seien es vielerorts weniger als ein Prozent. „Wenn wir nicht testen und sequenzieren, sind wir blind“, sagte Kyriakides.
Zugleich mahnt die Kommission, durch Distanz- und Hygieneauflage vor allem beim Reisen die Übertragung des Virus zu verhindern. Von allen nicht notwendigen Reisen solle dringend abgeraten werden. Reisebeschränkungen und Testpflichten befürwortet die Kommission, Grenzschließungen lehnt sie hingegen ab.
Unsere Empfehlung für Sie

Erwartungen an die EU-Politik Bürgerdialog zur Zukunft Europas soll noch im März starten
Wie soll das Europa der Zukunft aussehen? Und was erwarten die Menschen von der EU? Die Politik will zu Fragen wie diesen in den kommenden Monaten die Meinung der Bürger hören.

Kremlkritiker Fall Nawalny: USA und EU verhängen Sanktionen gegen Russland
Die Forderungen der EU und der USA nach einer sofortigen Freilassung des Kremlkritikers Alexej Nawalny zeigten bislang keinerlei Wirkung. Nun werden Drohungen wahr gemacht. Dass die Amerikaner in dem Fall mit den Europäern an einem Strang ziehen, ist ein Kurswechsel.

Streit mit Orban Kommt es bei Europas Christdemokraten zum Bruch?
Seit Jahren hadern viele in der Europäischen Volkspartei mit dem rechtsnationalen Ungarn Viktor Orban. Nun sucht die Fraktion die Entscheidung. Eine Machtprobe auch für den deutschen Fraktionschef.

Streit mit Brüssel Deutsche Grenzkontrollen: Berlin weist Kritik zurück
Unverhältnismäßig und unbegründet - so bewertet die EU-Kommission die deutschen Grenzkontrollen. Den Forderungen nach Lockerungen aus Brüssel erteilt die Bundesregierung jedoch eine klare Absage.

Europäischer Impfpass Keinen Schnellschuss, bitte
Die Idee ist gut. Trotzdem ist es noch zu früh, einen europäischen Corona-Impfpass an den Start zu bringen, kommentiert unser EU-Korrespondent Markus Grabitz.

Rückkehr nach Frankreich Bye-bye Brexit: EU-Unterhändler Barnier sagt Lebewohl
Jetzt, da der Brexit vollzogen ist, überlegt sich Europas Ex-Chefunterhändler Michel Barnier 2022, ob er bei den französischen Präsidentschaftswahlen antreten soll.