Die Ausgangssperre in Indien hat Millionen Tagelöhner um ihr Einkommen gebracht. Die Heimkehr aus den Metropolen war für viele ein Abenteuer. Eine Schülerin hat für ihren Vater eine besondere Großleistung vollbracht.

Neu Delhi - Eine 15-jährige Inderin hat ihren gehbehinderten Vater 1200 Kilometer weit mit Fahrrad nach Hause gebracht. „Ich hatte keine andere Wahl“, sagte Jyoti Kumari am Sonntag. „Wir hätten nicht überlebt, wenn ich nicht in mein Dorf geradelt wäre.“

 

Vater sitzt auf dem Gepäckträger

Kumari und ihr Vater lebten in Gugugram, einer Vorstadt von Neu Delhi. Der Vater kann nach einem Unfall nicht mehr laufen und verdient sein Geld mit einer Autorikscha. Doch als die Regierung wegen der Coronavirus-Pandemie im März eine wochenlange Ausgangssperre über das Land verhängte, wurde auch das verboten. Er verlor sein Einkommen und konnte die Miete nicht mehr bezahlen. Weil auch der Flugverkehr eingestellt war, der Vater auch nicht in den Zug steigen konnte und Busse und Taxis nicht mehr fahren durften, kaufte sich Jyoti Kumari ein Fahrrad und machte sich wie Millionen Wanderarbeiter auf den Weg nach Hause. Der Vater saß auf dem Gepäckträger.

Fremde gaben ihnen zu essen. Bei steigender Hitze strampelte sich Kumari zehn Tage lang ab. Nur einmal nahm sie ein Lastwagen ein kurzes Stück mit. Vor gut einer Woche erreichten sie ihr Dorf Darbhanga im Osten des Landes. Ihre Mutter und ihr Schwager hatten sich schon eher dorthin durchgeschlagen.

„Wir hatten keine andere Wahl“

Sie sei immer noch erschöpft, sagte die Achtklässlerin am Sonntag. „Es war eine schwierige Reise“, sagte sie. „Das Wetter war zu heiß, aber wir hatten keinen andere Wahl. Ich hatte nur ein Ziel im Sinn und das war, nach Hause zu kommen.“

Die strapaziöse Tour erregte Aufmerksamkeit. Die indische Radsportföderation bot Kumari an, sie für ein Probetraining mit dem Zug zurück nach Neu Delhi zu holen. Und US-Präsident Donald Trumps Tochter Ivanka lobte Kumaris Leistung als eine „Großtat an Ausdauer und Liebe“. Die 15-Jährige sagte, sie freue sich über Anerkennung, aber um den Ruhm sei es nicht gegangen. „Es war eine Entschluss aus Verzweiflung“, sagte sie.