Noch nie in der Pandemie waren so viele Klassen in Quarantäne wie derzeit. Das Virus breitet sich immer stärker unter den Jüngeren aus. Was sagen Pädagogen und Ärzte?

Ludwigsburg - Der Trend ist deutlich: „Bei der rasanten Aufwärtsfahrt der Inzidenzen hat sich der Schwerpunkt auf die Unter-30-Jährigen verlagert“, sagt Stefan Weiß, Ärztlicher Direktor bei der Regionalen Kliniken Holding, bei einer Pressekonferenz zur Coronalage im Kreis. Im Mittelpunkt des Geschehens stünden Kinder und Jugendliche: „Viele Infektionen laufen im Schulbereich ab – bei denen, die dem Virus komplett schutzlos ausgeliefert sind, weil die Stiko-Empfehlung für die Impfung erst spät kam.“

 

Wie ist die Lage an den Schulen?

Für die Schulleiter im Kreis ist die Information nichts Neues. Sie müssen täglich mit dem Infektionsgeschehen umgehen. „Die Ansteckungen gehen definitiv hoch, seit Mitte vergangener Woche erleben wir eine deutliche Dynamik“, berichtet Bernhard Bleil, geschäftsführender Schulleiter für alle Ludwigsburger Schulen mit Ausnahme der Gymnasien. Diese waren aber Mitte der Woche bei einer Lagebesprechung ebenfalls mit von der Partie und bestätigten den Trend. Dass ganze Klassen zuhause in Quarantäne müssten, habe es in Ludwigsburg diese Woche aber nur zweimal gegeben, sagt Bleil. Der Fall tritt ein, wenn fünf Schüler in einer Klasse – oder bei Gruppen unter 25 Personen mehr als 20 Prozent – positiv getestet sind.

Wie sieht es anderswo im Kreis aus?

In Marbach etwa sind derzeit zwei Klassen der Tobias-Mayer-Gemeinschaftsschule in Isolation: Sie kommen zwar in die Schule, bleiben aber in der Kohorte zusammen. Am Friedrich-Schiller-Gymnasium musste am Donnerstag das erste Mal eine Klasse in Quarantäne. „Das spricht für unser Hygienekonzept“, sagt Schulleiter Volker Müller. Immerhin ist das FSG mit seinen 2600 Schülern das größte Gymnasium in Baden-Württemberg. Da hier ältere Pennäler betroffen sind, sind bereits zwei Drittel der Jugendlichen geimpft, und nur ein Drittel muss in Quarantäne bleiben – so sei es mit dem Gesundheitsamt abgesprochen, sagt Müller. Boris Rupnow, Rektor der Theodor-Heuss-Realschule in Kornwestheim, sagt, die Rate der positiven Schnelltests steige und steige. Es sei wohl eine Frage der Zeit, bis man die erste Klasse in Quarantäne schicken müsse.

Wie viele Klassen sind in Quarantäne?

Seit 19. Januar wurden dem Gesundheitsamt 25 Klassen mit Ausbrüchen gemeldet. Die Kinder sind in Absonderung. „Die Klassen, die uns vor dem 19. Januar gemeldet wurden, sind inzwischen wieder in der Freitestphase“, erklärt Markus Klohr, Sprecher des Landratsamtes. Im gleichen Zeitraum wurden 29 Kita-Gruppen mit Ausbrüchen gemeldet. Der Kreis befinde sich damit auf dem seitherigen Höchststand. Noch nie seien so viele Klassen in Quarantäne gewesen wie jetzt.

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Sind Schulen und Kitas Treiber?

Das Infektionsgeschehen im Kreis sei diffus, die Zahlen stiegen überall exponentiell, sagt Klohr. In Schulen und Kitas sei das Ausbruchsgeschehen aber deutlicher zu sehen als in anderen Bevölkerungsgruppen, da in den Einrichtungen genau auf die Zahl der Fälle geachtet werde.

Gibt es genug PCR-Tests?

„Im Ratskellerpavillon sind derzeit 100 PCR-Tests die Kapazitätsgrenze“, berichtet Peter Spear, Sprecher der Stadt Ludwigsburg. „Die Kapazität wird dort aber weiterhin entsprechend der Nachfrage ausgebaut. Von kommender Woche an sollen dann bis zu 200 PCR-Tests am Tag möglich sein.“ Für Schulen und Kitas seien davon 80 blockiert, von der kommenden Woche an entsprechend mehr. „Sollte die Nachfrage noch weiter steigen, hätten wir die Möglichkeit, einen weiteren Anbieter von PCR-Tests zu aktivieren.“

Und wenn die PCR-Tests nicht reichen?

Neuerdings gilt nach der aktuellen Coronaverordnung, dass nach einem positiven Selbsttest ein PCR- oder aber ein Antigen-Schnelltest einer öffentlichen Teststelle nötig ist. „Das positive Ergebnis wird an das Gesundheitsamt weitergeleitet. Die Personen müssen dann in Isolation“, sagt Markus Klohr vom Landratsamt. Bei den aktuell sehr hohen Inzidenzen könne man davon ausgehen, dass es so gut wie keine falsch positiven Antigen-Schnelltests gebe. „Eltern von Kindern mit Symptomen würde ich in jedem Fall empfehlen, mit dem eigenen Kinderarzt Kontakt aufzunehmen. Dabei geht es nicht nur um eine PCR-Testung sondern auch um eine vielleicht notwendige Behandlung.“

Gibt es Ausbrüche in Pflegeheimen?

Aktuell ist das laut einer Information des Gesundheitsamtes in acht Heimen der Fall. Es seien fast immer sowohl Personal als auch Bewohnerinnen und Bewohner betroffen.

Was sagen die Zahlen überhaupt aus?

Auf die Frage, inwiefern die täglich veröffentlichten Zahlen das tatsächliche Infektionsgeschehen im Kreis noch abbilden, sagt der Behördensprecher, das Gesundheitsamt sei derzeit wieder in der Lage, tagesaktuelle Fälle abzuarbeiten. Die Zahlen aus Testungen seien daher realistisch. Wie hoch die Dunkelziffer an Erkrankten sei, sei offen.

Wie ist das bei Todesfällen?

„Sobald wir die Meldung eines Todesfalls an oder mit Covid-19 erhalten, werden diese Daten bei uns eingepflegt und an das Landesgesundheitsamt übermittelt“, so Markus Klohr. Leichenschauende Ärzte hätten eine Meldepflicht zum Tod an oder mit Corona.

Ist Kontaktverfolgung noch möglich?

Enge Kontaktpersonen müssen weiterhin in Absonderung und werden dazu vom Gesundheitsamt kontaktiert. Haushaltsangehörige, die nicht von der Quarantäne befreit sind, müssen ebenfalls ab dem Tag des positiven Tests des Betroffenen in Absonderung.