Stuttgarter erzählt über Corona-Erkrankung Nach Infektion in Ischgl sind Reisen erst mal gestrichen

André Voltmann ist bei der Sammelklage gegen Ischgl dabei. Foto: Lichtgut //Ferdinando Iannone

Der Stuttgarter André Voltmann und seine Freunde halten Reisen in diesem Sommer für keine gute Idee. Denn sie kamen im März mit dem Coronavirus im Gepäck aus dem Skiurlaub. Das hat ihre Perspektive verändert.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Der Stuttgarter André Voltmann ist Mitglied im Verbraucherschutzverein in Österreich geworden. Dieser klagt nach der Infektionswelle im März gegen die Gemeinde Ischgl, Voltmann hat sich dieser Sammelklage angeschlossen. Denn er und seine Kumpel hatten nach einem Skiurlaub Anfang März das Coronavirus im Gepäck. Als ein Urlaubsrückkehrer, der am Beginn einer ersten großen Corona-Welle krank war, blickt er nun anders auf die Urlaubszeit als viele Zeitgenossen. „Wir machen diesen Sommer keine großen Reisen. Ein paar kleine Trips mit dem Zug innerhalb Deutschlands“, sagt der 42-jährige selbstständige IT-Fachmann. Zu tief sitzt die Erfahrung mit der heimtückischen Erkrankung, die er und seine vier Freunde im März machten.

 

Am zweiten Abend beim Après-Ski infiziert

„Wir waren nicht blauäugig. Wir haben uns im Vorfeld informiert“, erzählt er. „Mit dem Wissen, das wir jetzt im Nachhinein haben, würden wir natürlich nicht mehr hinfahren.“ Und anders als andere Ischgl-Urlauber räumt er unumwunden ein: „Nach Ischgl fährt man auch wegen der Party.“ Wer nur ruhig auf der Hütte sitzen wolle, fahre dort nicht hin. Ruhige Skiausfahrten hatten sie in den Wintern zuvor, nun sollte es eben mal Ischgl sein. Am zweiten Abend gingen die fünf Freunde nach dem Skifahren „auf die Piste“ – zum Après-Ski. „Das war der letzte Abend, an dem noch alles geöffnet war. Da haben wir es uns ganz sicher geholt“, sagt der 42-Jährige. Bis gegen halb neun abends waren sie unterwegs. Am Mittwoch war es vorbei mit dem Clubbetrieb. Donnerstag blieb der erste Kumpel zu Hause – wegen Erschöpfung, wie er meinte. Weil er sich an einen Arzt gewandt hatte, kam ein Corona-Test-Mobil zur Ferienwohnung. „Da rief uns der Vermieter auf der Piste an, was der Rettungswagen da mache.“ Auch den übrigen vier ging es nicht mehr toll: „Ich laufe Marathon und bin fit, aber bei der letzten Abfahrt musste ich pumpen“, erinnert sich Voltmann. Am Freitag kam das Fieber, am Samstag das Ergebnis des ersten Tests: Es ist Corona. „Wir sollten im Apartment bleiben, der Vermieter sollte uns versorgen“, war die erste Anweisung.

Der Vermieter hilft, die Heimfahrt zu ermöglichen

Das hielt aber weder die Clique noch der Vermieter im gleichen Haus, der ein kleines Kind mit einer Vorerkrankung hatte, für eine gute Idee. „Der Vermieter hat dann alle Hebel in Bewegung gesetzt. Was er getan und mit wem er gesprochen hat, das wissen wir nicht“, sagt Voltmann. Sie sollten unverzüglich zu einem Arzt fahren. Dort erhielten sie ein Schreiben „und eine Tüte mit Masken“, sofort machten sie sich auf die Heimreise. Schon zwei Orte weiter gerieten sie in die erste Kontrolle. „Seid ihr das mit dem Kind?“, fragten die Beamten – es hatte sich offenbar herumgesprochen. Sie durften weiter. Die nächste Hürde: die Grenze nach Deutschland. „Da bekamen wir zwei Optionen: entweder nach Rosenheim in die Klinik oder nonstop nach Hause“, erzählt Voltmann. Sie gaben Gas. Heim, nur heim.

Die Symptome werden stärker

Zurück in Stuttgart verteilten sie sich auf Wohnungen, die Freunde für sie frei gemacht hatten. „Unsere war im sechsten Stock“, der Marathonläufer hatte Mühe, wieder zu Atem zu kommen, als er oben war. An Quarantäneregeln hielten sie sich strikt, ins Krankenhaus musste keiner. Aber: „Es war heftig“, er hustete Blut ab, merkte einen starken Druck auf der Brust und erholte sich nur langsam. Auch den oft beschriebenen Geschmacksverlust erlebten sie. „Einer hat Salz auf die Spaghetti, als wäre es Parmesan“, schildert Voltmann. Durch Corona-Tests und Antikörpernachweis war am Ende bei allen die Infektion bewiesen.

Gespannt wird das Ergebnis der Klage erwartet

Anfang September schauten die fünf Freunde mit anderen Augen auf die Reisezeit: „Von uns hatte keiner Lust auf Urlaub.“ Er finde, der Sommer 2020 sei eine „ähnliche Situation“ wie die Skisaison gewesen. Ein wenig bang beobachtet er, was nun geschieht, wenn nach den Schulferien der Alltag wieder losgeht. Spannend findet André Voltmann, was im Zuge der Ermittlungen zur Klage gegen Ischgl ans Licht kommt. „Um Schadenersatz geht es nicht – aber darum zu wissen, ob man es hätte absehen oder verhindern können, was in Ischgl geschah.“

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