Vergleichsweise kleine Anlässe locken Massen an. Die Gewerkschaft der Polizei stellt sinkende Akzeptanz für Corona-Einsätze fest.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die Stimmung ist am Wochenende mehrmals gekippt in der Stadt. Das Ausgehen ist wieder möglich, rund um die Partymeile ist es voll. „Wenn da was passiert, ist sofort ein großer Auflauf“, sagt der Polizeisprecher Jens Lauer. Ist nach der langen Ruhepause die Nervosität größer, oder fordert die Langeweile ihren Tribut und jeder Anlass für Aufregung wird ausgekostet? Das vermag letztlich niemand einzuschätzen. Fakt ist, dass eigentlich unspektakuläre Anlässe zu Großeinsätzen mutiert sind: Einmal waren 30 Streifenwagen im Einsatz, einmal um die 20, und auch die verstärkenden Kräfte im Rahmen der Sicherheitskonzeption Stuttgart (SKS) waren am Wochenende länger da, als sie normalerweise eingeplant sind, sagt Polizeisprecher Jens Lauer.

 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht eine sinkende Akzeptanz für das Eingreifen der Beamten in der aktuell noch andauernden Pandemie. „Junge Gruppen werden diskussionsfreudiger und reagieren mit Uneinsichtigkeit“, sagt deren Landesvorsitzender Hans-Jürgen Kirstein. Bei den Einsätzen sei „viel Fingerspitzengefühl“ der Beamten gefragt. Er wünsche sich von der Landesregierung mehr Klarheit bei den Regelungen, das würde für mehr Ruhe sorgen, so Kirstein.

Festnahme: Schaulustige werfen der Polizei Rassismus vor

Das größte Aufsehen hat am Wochenende eine Festnahme hervorgerufen, bei der Umstehende der Polizei Rassismusvorwürfe gemacht haben. Ein spanischer Staatsbürger mit dunkler Hautfarbe soll sich einen üblen Streich erlaubt haben: Er ließ einen Passanten für sich bei der Polizei anrufen und behauptete, er sei Opfer einer Messerattacke geworden. Weil das nicht stimmte, wollte die Polizei die Personalien des Manns aufnehmen. Der wurde laut und stritt sich mit den Beamten, die ihn schließlich zu Boden brachten und fesselten. Als Rassisten wurden die Beamten von Umstehenden beschimpft, die von der nahen Theodor-Heuss-Straße an die Büchsenstraße zum Ort des Geschehens eilten. Den Rassismusvorwurf lässt die Polizei nicht gelten: Die Herkunft oder der Hintergrund der Personen spiele bei Einsätzen keine Rolle. Erklärungsansätze für das Verhalten der Umstehenden seien zum einen die noch latent gereizte Stimmung nach den Schließungen aufgrund der Corona-Pandemie und die Sensibilität aufgrund der Vorfälle in den USA. Dort war der dunkelhäutige George Floyd bei einem Polizeieinsatz getötet worden. „Das schwang da sicher mit“, so Lauer. 30 Streifenwagen waren im Einsatz, um die Menge zu beruhigen.

Doch in der Nacht zum Montag ging es ähnlich zu, auch ohne einen Konflikt, der Bilder aus den USA in Erinnerung rief. Wieder musste die Polizei an die Theo ausrücken, vor einem Lokal galt es, schlichtend bei Auseinandersetzungen einzugreifen. Hier war die Lage erst zu beruhigen, als 20 Streifenwagenbesatzungen da waren. Extrem aggressiv hatten einige aus einer Gruppe von mehr als 500 Menschen reagiert, als die Polizei in der Nacht zum Samstag feststellte, dass die Abstandsregeln auf der Freitreppe am Schlossplatz nicht eingehalten wurden. Dort flogen Flaschen gegen die Polizeikräfte, sie wurden beleidigt und beschimpft.

Vergleichsweise wenig Anzeigen hat die Polizei in den Nächten aufgenommen. Denn es habe wenig Sinn zu versuchen, in einer wütenden Menge mehrere herauszugreifen. „Da geht es in erster Linie darum, die Lage zu beruhigen“, sagt Lauer. Zudem würde ein Einschreiten sowohl die Beteiligten als auch die Beamten gefährden, solange die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus noch bestehe. Das gelte für alle drei Einsätze.