Der Andrang bei der Impfaktion für sozial Benachteiligte am Mittwoch in der Stuttgarter Leonhardskirche war groß. Zwei Impfteams des Klinikums verabreichten dort den Impfstoff von Johnson & Johnson, denn der hat einen besonderen Vorteil.

Stuttgart - Gleich ist Frank dran. Der 75-jährige Mann mit der schwarzen Baseball-Kappe und der kurzen Camouflage-Hose sitzt in der ersten Reihe der Leonhardskirche und wartet, bis ihn eine ehrenamtliche Mitarbeiterin zum Impfen abholt. Frank wirkt entspannt. Seit mehr als zehn Jahren ist er regelmäßiger Gast in der Vesperkirche. Von Diakoniepfarrerin Gabriele Ehrmann habe er erfahren, dass er sich heute impfen lassen könne. „Mach das mal“, habe sie ihm geraten. Zehn Minuten später hat er es geschafft. „Gut war’s“, sagt Frank und grinst.

 

Die einmalige Impf-Aktion in der Leonhardskirche am Mittwoch richtete sich gezielt an Vesperkirchengäste, die oft keinen festen Wohnsitz haben oder als 1-Euro-Jobber bei der Tafel arbeiten. Termine wurden zwischen 9.30 Uhr und 15.30 Uhr vergeben. Die Einrichtungen, in denen viele Stammgäste wohnen, haben diese über die einmalige Aktion informiert. „Das Telefon hat heftig geklingelt. Man hat schon gesehen, dass es noch Bedarf gibt“, sagt Pfarrerin Ehrmann.

Der Gang ins Impfzentrum ist eine hohe Hürde

„Mit einer solchen Aktion erreicht man Leute, die man sonst nicht erreicht“, sagt Reinhold Schöndorfer, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Vesperkirche. Manche kämen nicht pünktlich, teils hätten sie eine harte Nacht hinter sich. Die Zielgruppe habe oft keinen Hausarzt und keine sonstige Fürsorge, so Schöndorfer. Der Gang ins Impfzentrum sei für sie eine hohe Hürde, sagt Pfarrerin Ehrmann. „Die Anmeldung ist ja schon für Leute schwierig, die Zugang zum Internet haben.“

Manche Gäste besitzen auch keinen Impfpass. Das sei aber kein Problem, sagt die Pfarrerin, vor Ort könne man einen Ersatz-Impfpass ausstellen. 200 Dosen des US-Anbieters Johnson & Johnson haben die beiden Impfteams des Stuttgarter Klinikums in die Kirche mitgebracht. Dass die Wahl gerade auf dieses Vakzin fiel, ist kein Zufall. Sein großer Vorteil: Der Impfstoff muss nur einmal verabreicht werden, nicht zweimal wie die anderen. Die Gäste der Vesperkirche führen meist keinen Terminkalender. Die Gefahr wäre also hoch, dass sie ihren zweiten Termin nicht wahrnehmen.

Trotz Vorfreude bleibt ein mulmiges Gefühl

Viele sind froh und erleichtert darüber, dass sie sich nun endlich auch schützen können. Die 53-jährige Susanne aus Winnenden zum Beispiel. „Mein Vater hatte Corona. Ich will die Impfung schon seit Wochen, aber beim Hausarzt heißt es immer, es gebe keinen Impfstoff“, sagt sie. Den Tipp, sich in der Vesperkirche impfen zu lassen, hat sie von ihrer Schwägerin bekommen. Etwas mulmig ist ihr trotz der Vorfreude zumute. „Mein Mann wurde mit Astrazeneca geimpft und lag zwei Tage flach“, so Susanne.

Mazin, ein Mann um die 40, wirkt etwas wacklig auf den Beinen, als er sich nach der Impfung im Wartebereich niederlässt. Aber es geht ihm gut. „Ich habe mich schon vor einem Monat angemeldet. Es fühlt sich gut an, geschützt zu sein. Die Leute sind nett hier“, sagt Mazin. Zehn Minuten später sitzt er auf dem Vorplatz vor der Kirche und isst ein Brötchen. Das Küchenteam des Rudolf-Sophien-Stifts stellte Snacks bereit. Ein älterer Herr mit Anglerweste ist mit seiner Frau gekommen. Sie wirken nervös. „Man hat ja schon viel gehört über die Nebenwirkungen, zum Beispiel das mit der Thrombose“, sagt er.

Schmerzen an der Einstichstelle

Er kommt nicht dazu, weitere Ausführungen zu machen, denn schon wird er von einer Ehrenamtlichen abgeholt. Überhaupt läuft alles überaus ruhig und routiniert. „Dass alles so entspannt wirkt, liegt an der guten Organisation“, sagt Reinhold Schöndorfer. Impfwillige absolvieren mehrere Stationen: Aufgeklärt wird draußen vor der Kirche, wo Tische und Stühle stehen. Im Bereich der ersten Sitzreihen warten die Impflinge kurz, bis sie zur Impfkabine in den Chorraum gelotst werden.

Die letzte Station ist ein Wartebereich wieder in der ersten Sitzreihe. Dort haben nun auch der Mann mit der Anglerweste und seine Frau Platz genommen. Beide halten die Hand auf ihr am Oberarm angebrachtes Pflaster. „Der Arm schmerzt, aber sonst geht es eigentlich“, sagt die Frau.

Vorkehrungen hat die Kirche auch für mögliche gesundheitliche Reaktionen auf die Impfung getroffen. Man habe extra Plätze in Unterkünften für die Nacht organisiert, sagt Gabriele Ehrmann. Allerdings deute sich an, dass kaum jemand von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wolle.