In Stuttgart werden Ungeimpfte zunehmend ungeduldig. Doch für viele geht es weniger um den persönlichen Impfneid – sie kritisieren vor allem fehlende Impfmöglichkeiten für Jüngere.

Digital Desk: Simon Koenigsdorff (sko)

Stuttgart - Geimpfte bekommen nach Monaten der Corona-Beschränkungen viele Freiheiten zurück, Hausärzte impfen seit dieser Woche ohne Priorisierung. Für manche zeichnet sich ein Ende der Pandemie ab, doch zugleich bewegt das Thema Impfneid zunehmend die Gemüter. Auch in Stuttgart herrscht bei vielen Unmut über die Lage derjenigen, die noch auf die langersehnte Spritze warten müssen, wie sich bei einer Umfrage auf dem Schlossplatz am Dienstag zeigt. Bei Claire Davaney wächst die Ungeduld: „Ich verstehe, dass die Impfung für andere nötiger ist, aber ich würde gerne wieder mit meinen Kindern in einen Biergarten gehen können, sie sind seit Monaten zuhause.“ Vor allem wolle sie endlich ihre Familie in Australien wieder besuchen – „sie sind dort alle schon geimpft“, erzählt die 38-Jährige.

 

Fehlende Impfstoffzulassung für Kinder „unfair“

Bei Karin Grimm hingegen hält sich der persönliche Impfneid „in Grenzen“, wie sie sagt. Es sei richtig, dass Geimpfte Grundrechte zurückbekämen. „Ich finde es aber schade, dass die Jungen noch nicht dran sind, denn sie leiden besonders“, meint die 50-Jährige und ergänzt: „Da scheint es unfair, wenn ältere Leute schon wieder in den Urlaub fahren können.“ Die Korntalerin erzählt, dass sie auf der Impf-Warteliste ihres Hausarztes stehe: „Jetzt müssen wir hoffentlich nur noch zwei, drei Wochen durchhalten.“ Auch die 21-jährige Natalie Krämer findet es „unfair“, dass Jugendliche und Kinder aktuell keine Chance auf eine Impfung haben, weil der Impfstoff noch nicht für sie zugelassen ist. Sie selbst wolle sich aber vorerst gar nicht impfen lassen – „außer wenn man nicht mehr ohne Impfung reisen kann.“

Geteilte Meinungen über Impfdrängler

Einige der Befragten haben selbst schon ihre erste Impfung erhalten, doch auch sie sind mit der aktuellen Impfstrategie unzufrieden. „Ich habe wegen einer Vorerkrankung schnell einen Termin bekommen“, erzählt der 34-jährige Christian Gross. Dass zunächst bestimmte Gruppen Priorität bei der Impfung bekommen haben, findet der Frankfurter richtig, doch: „Für eine Herdenimmunität müsste man die Priorisierung aufheben.“ Er meint: „Je schneller junge Leute geimpft werden, desto schneller kriegen wir die Pandemie in den Griff.“ Trotzdem bringt Gross „kein Verständnis“ für Impfdrängler auf, so lange die Priorisierung nicht komplett aufgehoben sei. Ganz anders sieht das Marco Wiefel: „Ich habe vollstes Verständnis für Leute, die so schnell wie möglich geimpft werden wollen, der Impfstoff ist ja ein Stück Freiheit.“ Hätte der 46-Jährige nicht als Kontaktperson seines krebskranken Schwiegervaters bereits die erste Impfdosis erhalten, so ist er sich sicher: „Ich hätte ehrlich gesagt auch gedrängelt.“ Seiner Meinung nach wäre es von Anfang an klüger gewesen, nicht auf Priorisierung zu setzen: „Dann wäre die ganze Bürokratie weggefallen, um die Impfberechtigung zu prüfen.“ Nun wünscht sich der Stuttgarter, die Impfungen auf viel mehr Menschen auszudehnen – „aber dafür ist wohl noch nicht genügend Impfstoff da.“