In China werden die Bewohner von Millionenstädten unter Hausarrest gestellt, in Italien sperrt die Polizei ganze Dörfer ab. Sind solche drastischen Schritte auch in Deutschland möglich? Was kann der Staat tun?

Berlin - n China werden Millionenstädte abgeriegelt, sogar in Norditalien gibt es eine „Rote Zone“, die von der Polizei abgesperrt wird. Sind solche drastischen Eingriffe auch in Deutschland möglich? Tatsache ist: Zur Seuchenbekämpfung haben auch westeuropäische Staaten große Eingriffsbefugnisse. In Deutschland sind sie im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt, das im Jahr 2001 das bis dahin gültige Bundesseuchengesetz ablöste.

 

Was regelt die Meldepflicht?

Um eine Epidemie und ihr Ausmaß zu erkennen, gibt es Meldepflichten. Die behandelnden Ärzte müssen den örtlichen Gesundheitsämtern melden, wenn sie Fälle von Pest, Cholera, Masern und vielen anderen übertragbaren Krankheiten feststellen (Paragrafen 6 und und 8). In den Gesundheitsämtern laufen alle Informationen zusammen, sie stimmen sich mit den Krisenstäben auf Landesebene ab. Bei neu auftretenden Viren kann die Liste der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger laut Paragraf 15 per Verordnung schnell ergänzt werden.

Wie wird ermittelt bei Verdacht?

Bei Kranken oder Krankheitsverdächtigen können Ermittlungen vorgenommen werden, um die Gefahr zu prüfen. Hierzu dürfen die Behörden die Wohnung betreten, Unterlagen kopieren und Proben nehmen (Paragraf 16). Kranke oder Krankheitsverdächtige können zu Untersuchungen aufs Gesundheitsamt vorgeladen werden. Sie müssen bei Bedarf Röntgenaufnahmen oder Blutentnahmen dulden, so steht es in Paragraf 25 des Gesetzes.

Wann gibt es Sperrungen und Absagen?

Um eine Ausbreitung von Krankheiten zu vermeiden, kann das Gesundheitsamt das öffentliche Leben einschränken. Veranstaltungen und Kundgebungen können verboten werden. Schwimmbäder können ebenso geschlossen werden wie Kindergärten und Schulen, das ist in Paragraf 28 des Gesetzes klar geregelt.

Wann gilt eine Quarantäne?

Kranke und Krankheitsverdächtige können in Quarantäne genommen werden, um weitere Ansteckungen zu vermeiden. Konkret heißt dies, dass sie in einem Krankenhaus „abgesondert“ werden. Diese Maßnahme ist auch zwangsweise durchsetzbar. Dabei sind drastische Eingriffe möglich: Um eine Flucht zu verhindern, können sogar persönliche Gegenstände abgenommen werden. Die Behörden haben weitreichende Befugnisse, sie dürfen etwa die Kommunikation der Betroffenen mit der Außenwelt mitlesen. (Paragraf 30) Als milderes Mittel können die Behörden gegen Kranke und Krankheitsverdächtige ein zeitweises Berufsverbot verhängen.

Kann man ganze Städte abriegeln?

Die Antwort ist nicht eindeutig: Laut Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, gibt es in Deutschland keine gesetzliche Grundlage für die Abriegelung ganzer Städte. Das ist aber so nicht richtig. Zwar ist eine so massive Maßnahme im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings haben die Gesundheitsbehörden laut Paragraf 28 des Gesetzes die Kompetenz, „alle notwendigen Maßnahmen“ zu treffen. Die ausdrücklich aufgeführten Befugnisse sind nur Beispiele hierfür.

Gelten die Grundrechte nicht mehr?

Eine ist klar: Die Grundrechte geltend natürlich auch dann, wenn in Deutschland eine Epidemie wütet. Allerdings sieht das Grundgesetz ausdrücklich vor, dass Grundrechte zur „Bekämpfung der Seuchengefahr“ eingeschränkt werden dürfen.

So kann durch eine Quarantäne das Recht beschnitten werden, sich frei im Land zu bewegen. Die Tür für staatliche Willkür ist damit allerdings nicht geöffnet: Maßnahmen müssen immer verhältnismäßig sein – diese Abwägung müssen die Behörden vor Ort im Einzelfall treffen.