Inzwischen gibt es 37 Corona-Infizierte in Baden-Württemberg. Der Gesundheitsminister setzt auf flächendeckende Zentren um die Ausbreitung in Grenzen zu halten. Parallel dazu sollen Betroffene zuhause aufgesucht werden.

Stuttgart - Der Regierungschef versucht es mit Beruhigung. „Die Leute sind durch das Coronavirus verunsichert. Wir verstehen das und wir handeln planvoll und kraftvoll“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag vor Journalisten. Der Verunsicherung begegne die Landesregierung durch Aufklärung. 37 Fälle sind bisher in Baden-Württemberg bekannt, deutschlandweit sind es mehr als 200.

 

Im Fokus des staatlichen Handelns steht laut Kretschmann „die Eindämmung und Verlangsamung der Ausbreitung“. Am Dienstagmorgen wurden zwei neue Infizierte gemeldet. Beide Betroffenen, ein Mann aus dem Zolleralbkreis und eine Frau aus Ulm, waren zuvor in Südtirol gewesen. Der Mann sei mit einer Reisegruppe beim Skifahren gewesen. Am Nachmittag kam ein Betroffener aus dem Kreis Ludwigsburg hinzu, der ebenfalls in Südtirol war. Ein 44-Jähriger aus dem Rems-Murr-Kreis wurde stationär aufgenommen.

Südtirol kein ausgewiesenes Risikogebiet

Obwohl in Baden-Württemberg vermehrt Fälle aus Südtirol bekannt werden, gehört die Alpenregion nicht zu den vom Robert-Koch-Institut (RKI) ausgewiesenen Risikogebieten. Stefan Brockmann vom Landesgesundheitsamt gibt zu bedenken: „In Südtirol wurden noch nicht so viele Fälle gemeldet wie in Baden-Württemberg.“

Bei den Betroffenen im Land ist die Krankheit bisher milde verlaufen, so der Regierungschef und sein Gesundheitsminister Manfred Lucha (ebenfalls Grüne). Darüber sei man froh. „Wir gehen entschlossen und besonnen an die Aufgabe heran“, versicherte Kretschmann. So wurde ein Altenheim in Bad Rappenau (Kreis Heilbronn) zur Quarantänezone erklärt, nachdem sich ein 85-jähriger Bewohner, eine Pflegerin sowie deren Tochter bei einem Pfleger angesteckt hatten.

Krisentreffen mit dem Bundesgesundheitsminister

Gesundheitsminister Lucha rechnet mit steigenden Fallzahlen in Baden-Württemberg. Die Betroffenen sollen „ordentlich behandelt werden“. Man hat eine Arbeitsgemeinschaft Corona gegründet und die Pandemieplanung aktualisiert. An diesem Mittwoch gibt es ein Treffen der Landesgesundheitsminister mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Baden-Württemberg selbst habe beschlossen, Stellen aufzubauen und 84 Notfallzentren für die Coronabekämpfung zu etablieren, so Lucha. Man wolle pensionierte Ärzte für die Mitarbeit gewinnen. In Eigenregie haben bereits das Katharinenhospital Stuttgart, die Stadt Heidelberg und Böblingen solche Zentren eingerichtet, berichtete Stefan Brockmann.

Auch aufsuchende Dienste sind laut Lucha geplant. Deren Mitarbeiter könnten den Gesundheitszustand isolierter Erkrankter überprüfen oder mögliche Patienten zuhause testen, erklärte Brockmann. Zentrale Anlaufstellen wie aufsuchende Dienste wären hilfreich, betont der Experte. In den Kreisen Reutlingen und Esslingen gebe es bereits solche aufsuchenden Teams.

Landräte wollen flächendeckenden Hausbesuchsdienst

Das geht in die Richtung der Wünsche der Landräte aus Göppingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr-Kreis. Sie fordern Gesundheitsminister Lucha auf, „einen flächendeckenden Hausbesuchsdienst“ zu etablieren, um Kontakte Erkrankter oder Infizierter mit anderen Menschen zu vermeiden. „Ärzte, mindestens aber Krankenpflegepersonal“, sollten die Betroffenen zuhause aufsuchen, die Anamnese erheben, Abstriche nehmen und die Fälle dokumentieren, schlagen die Landräte vor.

Da der ärztliche Notdienst stark ausgelastet sei und es an Atemmasken fehle, könnten „eine personelle Aufstockung des ärztlichen Notdienstes“ und dessen zentrale Schutzausstattung Abhilfe schaffen, meinen die Landräte. Die zentrale Beschaffung von Schutzmaßnahmen ist in Baden-Württemberg bereits geplant, sagte Stefan Brockmann vom Landesgesundheitsamt. Fahrdienste könnten die Ausrüstung dann in die Fläche bringen.

Das Land darf mehr Geld ausgeben

An den Finanzen soll die Hilfe nicht scheitern. Bisher darf das Land maximal 7,5 Millionen Euro für außergewöhnliche Vorkommnisse ausgeben. Auf Vorschlag der Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) soll die Grenze aufgehoben werden können.

Gesundheitsminister wie Ministerpräsident raten zu allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen: Händewaschen, in die Armbeuge niesen oder husten. Beim Händereichen sind sie sich nicht einig. Lucha verzichtet. Kretschmann sagt: „Ich gebe weiter die Hand, aber ich desinfiziere sie.“