Corona: Ältere sollen sich gegen Pneumokokken impfen lassen, doch das Serum geht zur Neige

Stuttgart - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Menschen ab 60 und weitere Risikogruppen angesichts der Corona-Krise dazu aufgerufen, sich gegen Pneumokokken, sprich: den klassischen Erreger von Lungenentzündungen impfen zu lassen. Die Nachfrage ist inzwischen groß – zu groß. Impfstoffe wie Pneumovax und Prevenar sind daher in ganz Deutschland kaum noch zu haben, in vielen Apotheken sind die Mittel ausverkauft, so auch in Stuttgart.

 

„Bei uns gibt es derzeit einen extrem hohen Bedarf“, sagt Konstantinos Pitsioras, Inhaber der Waldau-Apotheke in Stuttgart-Degerloch. Sein Team habe die Impfstoffe zwar rechtzeitig bestellt: „Aber wir werden in den nächsten Stunden mit leeren Händen dastehen.“ Eine Impfung gegen die Bakterien hält der Apotheker durchaus für sinnvoll: „Doch die Empfehlung kam meines Erachtens viel zu spät“, fügt er hinzu. Mit mehr Vorlaufzeit hätten sich die Apotheken besser auf die Situation vorbereiten können.

Hersteller bestätigt Lieferengpass

In der hauseigenen Apotheke des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart „verfügen wir zurzeit noch über den üblichen Vorrat“, sagt der medizinische Geschäftsführer Mark Dominik Alscher. „Bei unserem Großhändler ist der Impfstoff gegen Pneumokokken aber nicht mehr vorrätig.“

Der Hersteller von Pneumovax, MSD Sharp & Dome, bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung einen Lieferengpass. Der Grund sei die erhöhte Nachfrage wegen steigender Infektionen mit dem Coronavirus. „Im ersten Quartal 2020 haben wir bereits rund die Hälfte der für dieses Jahr geplanten Impfdosen ausgeliefert“, teilt Iris Pešt aus der MSD-Unternehmenskommunikation mit.

Da der Bedarf weltweit erhöht sei, könnten die vorhandenen Bestände „nicht zwischen den Ländern umgeschichtet werden“. Und so schnell ist auch nicht mit neuen Lieferungen zu rechnen: Da die Produktion von Impfstoffen sehr komplex sei, „kann das bis zu 36 Monate in Anspruch nehmen“. MSD versichert jedoch, alle verfügbaren Dosen Pneumovax in den Markt zu geben.

„Die meisten Risikopatienten sind geimpft.“

Laut Manfred King, Pressesprecher des Hausärzteverbands Baden-Württemberg, besteht jedoch kein Grund zur Panik. Er habe mit mehreren Ärzten gesprochen: „Und alle sagen, dass die meisten ihrer Risikopatienten bereits geimpft sind.“ Ärzte mit gutem Impfmanagement hätten das „stets im Blick“. „Wer sich unsicher ist, sollte mit seinem Hausarzt den Impfstatus durchgehen.“

Doch warum ist die Impfung gegen Pneumokokken überhaupt sinnvoll? Sie verringert laut Experten zum einen das Risiko, an einer Lungenentzündung zu erkranken. Zum anderen können Komplikationen durch Doppelinfektionen verhindert werden. Ist eine Lunge bereits mit einem Erreger infiziert, kann sie leichter von weiteren Erregern wie etwa dem Coronavirus angegriffen werden. Derartige Mehrfachinfektionen erschweren die Behandlung. Experten empfehlen daher zudem auch jetzt noch eine Grippeschutzimpfung bei älteren und immungeschwächten Menschen. „Impfungen, die vor Lungeninfektionen schützen, sind in dieser Zeit von besonderer Bedeutung“, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, bereits Ende Februar.

Nur zum Arzt gehen, wenn wirklich nötig

„Man sollte derzeit aber nur dann zum Arzt gehen, wenn wirklich dringender Bedarf besteht“, betont Manfred King. Alle anderen sollten „bitte daheim bleiben“. Denn die Praxen seien überlastet, die Ärzte und ihre Teams müssten sich um ernsthafte Fälle kümmern. Wer etwa nur ein Rezept abholen wolle, solle sich dieses lieber per Post zuschicken lassen.