Die Bauarbeiten an der Kathedrale Notre-Dame in Paris müssen wegen der Corona-Pandemie gestoppt werden. Das lockt Plünderer an.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Die ausgebrannte Kathedrale Notre-Dame liegt noch immer wie ein waidwundes Tier auf der Île-de-la-Cité im Zentrum von Paris. Mit kühnen Holzkonstruktionen werden die Steinbögen an der Außenmauer notdürftig abgestützt und sollen so vor dem Einsturz bewahrt werden. Doch fast ein Jahr nach der Brandkatastrophe sind die Arbeiten zum Erliegen gekommen. Der Grund ist das Coronavirus. „Die Schutzmaßnahmen, die die Arbeiter wegen der Bleibelastung einhalten müssen, sind schon sehr hoch“, erklärt Ariel Weil, Bürgermeister des 4. Arrondissement, und es könne nicht noch eine zusätzliche Sicherheitsstufe wegen der Pandemie draufgesattelt werden. Also habe man sich schweren Herzens entschlossen, die Arbeiten ruhen zu lassen.

 

Diese Entscheidung kommt in einem ungünstigen Moment. Denn die Arbeiter wollten gerade damit beginnen, das Metallgerüst zu demontieren, das noch immer auf dem Dach der Kathedrale liegt. In der Brandnacht war die rund 300 Tonnen wiegende Konstruktion geschmolzen und lastet nun auf dem Gewölbe, das deswegen zusammenzubrechen droht. Zudem sollte das Dach abgedichtet und mit der Reinigung des Innenraumes begonnen werden. Geplant war auch, die Orgel zu demontieren und zu restaurieren. Das alles muss nun warten, bis die Ausgangssperre aufgehoben wird.

Die Kathedrale wird rund um die Uhr bewacht

Die Ruhe um die Kathedrale hat allerdings ihre Tücken, denn sie lockt finstere Gestalten an. In diesen Tagen wurden zwei Männer ertappt, die große Steine der Kirche stehlen wollten, um sie dann zu verkaufen. Für die Verantwortlichen ist das keine Überraschung, weshalb das Bauwerk auch rund um die Uhr bewacht wird. „Notre-Dame war schon immer ein Mythos“, erklärt André Finot, Sprecher von Notre-Dame. „Es gibt einen riesigen Schwarzmarkt für diese Dinge, man findet sogar Steine von der Kathedrale, die auf Ebay zum Kauf angeboten werden.“

Für die Verantwortlichen ist der Baustopp sehr bitter, denn 2020 sollte zu einer Art Schicksalsjahr für die Kathedrale werden. Bisher war man noch immer vor allem mit Sicherungsarbeiten und der Aufnahme der Schäden beschäftigt. Das sollte sich in diesem Sommer ändern und die Restaurierung in Angriff genommen werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte noch in der Brandnacht am 15. April 2019 verkündet, dass Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren aufgebaut werde. Das hielten Fachleute allerdings schon damals für nicht zu schaffen.

Das geschmolzene Blei wird zum Problem

Bei dem verheerenden Brand, der mutmaßlich während der Renovierungsarbeiten am Dach ausgelöst wurde, verbrannte der komplette Dachstuhl, eine originale Eichenkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert. Teile der Gewölbekuppeln stürzten ein. Der 96 Meter hohe hölzerne Vierungsturm aus dem 19. Jahrhundert brach in sich zusammen. Temperaturen bis zu 1000 Grad, Rauch, aber auch Löschwasser fügten dem Mauerwerk schwerste Schäden zu. Dazu kommt eine immense Bleikonzentration in und um die Kirche, Hinterlassenschaft der geschmolzenen Dächer – ein großes Gesundheitsrisiko für Anwohner und Arbeiter.