Coronavirus und Technologiewandel Gebeutelte Maschinenbauer

Der Pressenhersteller Schuler bietet nun auch Anlagen für die Produktion von Eisenbahnrädern an. Foto: dpa/Marijan Murat

Die einst erfolgsverwöhnte Branche leidet nicht nur unter Corona, sondern besonders stark auch unter dem Technologiewandel in der Automobilbranche. Vor allem die Hersteller von Werkzeugmaschinen müssen sparen.

Stuttgart - Handelskonflikte, Brexit, Konjunkturdelle, Transformation – und seit einigen Monaten nun auch noch Corona, gerissene Lieferketten inklusive. Die Stimmung im Maschinenbau befinde sich „im freien Fall“, hat Klaus-Peter Guthurst, Leiter des Bereichs Industrie und Innovationen der Unternehmensberatung PwC Deutschland vor kurzem gesagt. Die Zahlen belegen dies: mehr als drei Viertel der Maschinenbauer rechnet mit merklichen bis gravierenden Umsatzeinbrüchen in diesem Jahr, hat eine Blitzumfrage des Maschinenbauverbands VDMA von Anfang des Monats ergeben. Bis zu 30 Prozent wird demnach der Umsatzrückgang betragen. Erst im nächsten Jahr soll es aufwärts gehen. „Dieser Optimismus ist erwartungsgetrieben und daher sehr fragil“, warnt jedoch VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers. Wohl wahr: Derzeit wird bundesweit in 68 Prozent der Unternehmen kurz gearbeitet – im Südwesten sind es sogar 74 Prozent –, in 62 Prozent der Firmen besteht Einstellungsstopp und 17 Prozent haben gar einen Personalabbau – auch in Teilen der Stammbelegschaft – in die Wege geleitet.

 

Dass der Maschinenbau so hart getroffen ist, liegt nicht nur an Corona. Es hat auch mit der schwächelnden Autoindustrie zu tun. Von den bundesweit gut eine Million Arbeitsplätzen im gesamten Maschinenbau am Standort Deutschland hängen rund 121 000 an der weltweiten Nachfrage nach Autos, schätzt Wiechers. Doch diese Zahl spiegelt die Lage nur unzureichend wider. Denn nicht jeder Maschinenbauer macht Geschäfte mit der Autoindustrie. Am Auto hängen vor allem die Hersteller von Werkzeugmaschinen, die 48 Prozent ihrer Produktion an diese eine Branche liefern, sagt Dietrich Birk, Geschäftsführer des VDMA in Baden-Württemberg. Viele Werkzeugmaschinenhersteller sitzen im Südwesten.

Abhängig von der Autoindustrie

Heller in Nürtingen gehört dazu. Der Hersteller von modernen Werkzeugmaschinen zur Zerspanung liefert etwa die Hälfte seiner Produktion an die Autoindustrie. Ähnlich hoch liegt dieser Anteil beim Pressenhersteller Schuler in Göppingen. Gehring in Ostfildern, nach eigenen Angaben Weltmarktführer für Feinbearbeitung wie Beschichten und Honen, erzielt gar drei Viertel des Umsatzes mit der Autoindustrie. Nur Trumpf ist breit aufgestellt; ein Fünftel des Umsatzes erzielt der Laserspezialist im Bereich Auto.

„Die Automotive-Umsätze der Werkzeugmaschinenhersteller hängen überwiegend am Verbrennungsmotor“, erläutert Martin Schwarz-Kocher, Geschäftsführer des arbeitnehmernahe Stuttgarter Imu-Instituts die Problemlage. Deshalb trifft der technologische Wandel im Antriebsstrang den Maschinenbau stark – und dies mit großem zeitlichen Vorlauf. Der Grund ist, dass die Produktionsanlagen lange bevor ein Auto gefertigt werden kann, stehen müssen. Experten schätzen, dass bis 2030 rund 30 Prozent der weltweit verkauften Neuwagen rein batteriebetriebene Neuwagen sein werden. „Der Werkzeugmaschinenbau wird schon im Jahr 2025 rund 30 Prozent weniger Anlagen für den Verbrenner-Antriebsstrang liefern“, sagt der Autoexperte. Verschärfend kommt hinzu: Weil die Autohersteller sparen, produzieren sie „neue Motortypen möglichst auf modernisierten Altanlagen“, so Schwarz-Kocher. Zudem bauen sie einen Motorentypen in mehrere Pkw-Typen ein. All dies reduziert den Maschinenabsatz – die Branche braucht neue Strategien.

Die Strategien der Maschinenbauer

Schuler gehört dazu. Abseits von der Autoindustrie lasse sich für die großen Pressen kein Markt finden, erläutert ein Sprecher. Deshalb werde sich die enge Verbindung zur Autoindustrie nicht wesentlich lockern, fügt er hinzu. Stattdessen soll das Unternehmen auf eine breitere Kundenbasis gestellt werden – und neben Premiumprodukten auch das mittlere Preissegment bedient werden. Schuler bietet zudem Anlagen für die Fertigung von Eisenbahnrädern oder Batteriegehäusen. Heller dagegen setzt auf neue Branchen wie Luftfahrt und Energietechnik – und hat die Anlagen entsprechend weiter entwickelt, sagt Manfred Maier, der für das operative Geschäft zuständig ist. Und Gehring erweitert seine Rolle „als Ausrüster für die Produktion von konventionellen Motoren auch auf den elektrischen Antriebsstrang in batteriebetriebenen und Brennstoffzellen-Fahrzeugen“, erläutert Gehring-Chef Sebastian Schöning.

Doch derzeit geht es nicht nur um Strategie, sondern wegen der Umsatzeinbrüche auch ums Sparen. „Die Mehrheit der Werkzeugmaschinenhersteller verhandelt Sparmaßnahmen“, weiß Schwarz-Kocher. Trumpf etwa hat befristete Verträge nicht verlängert. Gehring „plant weitere Maßnahmen, die leider auch Kapazitäts- und Kostensenkungen beinhalten“, sagt Schöning. Die Kapazitäten sollen hierzulande um rund zehn Prozent reduziert werden, die Gespräche dazu laufen. Auch bei Heller in Nürtingen wird verhandelt; Ergebnisse sind erst in einigen Wochen zu erwarten. Und Schuler in Göppingen hat bereits einen Personalabbau angekündigt.

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