Schulen, die frühzeitig auf digitale Infrastruktur gesetzt haben, können ihre Schüler in der aktuellen Krise engmaschiger betreuen. Ist das Standard? Keineswegs.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Ludwigsburg - „Und damit wären wir wieder bei unserem aktuellen Lieblingsthema: dem Coronavirus.“ Frank Ziegner, Mathelehrer an der Ludwigsburger Robert-Franck-Schule, behandelt das Thema exponentielles Wachstum und hat als Beispiel eine aktuelles Schaubild zur explosionsartigen Ausbreitung der Infiziertenzahlen parat. Kurz bevor er loslegte, ist noch seine kleine Tochter von seinem Schoß geschlüpft: Ziegner sitzt zuhause vor dem Rechner, eine Kamera ist auf ihn gerichtet, er spricht ins Mikrofon.

 

25 Elftklässler folgen dem jungen Lehrer mit dem Ziegenbärtchen, jeder von zuhause aus, per Videokonferenz – in der Zeit, in der sie sonst auch Mathe hätten, „das unterstützt sie in einem geregelten Tagesablauf“, erklärt Ziegner. Eine Menüleiste zeigt an, wer alles dabei ist. „Herr Ziegner, man hört Sie grade schlecht“, merkt ein Schüler an. Und gleich darauf: „Jetzt ist es besser.“

Es läuft geschmeidig – aber das ist nicht Standard

Auch Schulleiter Wolfgang Ulshöfer und Informatik-Lehrer Andreas Haase haben sich unter peinlichst bedachter Wahrung der Abstandsvorschriften eingeloggt. Sie halten samt Sekretariat und Hausmeister die Stellung im wie leer gefegten Schulgebäude auf dem Berufsschulcampus am Römerhügel. Und freuen sich, zeigen zu können, wie geschmeidig das Unterrichten vom Homeoffice aus funktionieren kann – wenn alle Beteiligten über die notwendige digitale Infrastruktur verfügen.

Die Robert-Franck-Schule musste schon schließen, als die anderen Schulen noch offen waren, weil sich ein Schüler mit dem Coronavirus infiziert hatte. Dieser Vorlauf von wenigen Tagen ist allerdings nicht der Grund dafür, warum das Homeschooling dort so erfolgreich funktioniert, dass zumindest Frank Ziegner für sich feststellt: „Es ist zwar langfristig kein Ersatz für klassischen Unterricht, aber auf etwa 75 Prozent der normalen Unterrichtsgeschwindigkeit komme ich inklusive Übungen und Hausaufgaben schon.“

Die Feuertaufe bestanden – vor der Zeit

Der beruflichen Schule kommt zugute, dass der Informatiklehrer Matthias Mayer schon in den vergangenen eineinhalb Jahren an einer schuleigenen Cloud-Lösung gearbeitet hatte. Nun hat sie vor der Zeit ihre Feuertaufe bestanden. Auf der Plattform können Materialien abgelegt, Erklärvideos eingestellt oder Erfahrungen ausgetauscht werden. Die Schüler können sich mit jedem gängigen Browser über das Internet bei Nextcloud oder mit der App Nextcloud mit ihrem Account für das schuleigene Netz anmelden.

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Alle Daten werden verschlüsselt übertragen und ausschließlich auf dem Server der Schule gespeichert – ein entscheidender Faktor, wie Schulleiter Ulshöfer findet. „Wir haben die Datenhoheit. Die Daten schwirren nicht in den USA oder sonst wo herum, wo wir keinen Einfluss darauf haben.“ Wegen der Corona-Krise hätten die Lehrkräfte in dieser Technik teils binnen weniger Tage einen Riesensprung gemacht, „für einige ist das ja durchaus Neuland gewesen“. Und die Schüler zögen mit. „Unser Vorteil ist, dass unsere Schüler schon älter, medial gut ausgerüstet und technisch versiert sind“, sagt der Schulleiter. Das gilt besonders für die angehenden Kaufleute für Büromanagement: Sie nehmen am Schulversuch des Kultusministeriums zum Tableteinsatz im Berufsschulunterricht teil.

Das Beste aus der Situation machen

Auch andere Schulen versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. An den Bietigheim-Bissinger Ellentalgymnasien ist ebenfalls eine eigene Schulcloud in Arbeit. Bisher erhalten die Schüler via Dropbox und digitalem Tagebuch Aufgaben für den Tag. Einige Kurse und Klassen kommunizieren über die App „Zoom“, um etwa das Abitur zusammen vorzubereiten.

Mathias Hilbert vom Ludwigsburger Otto-Hahn-Gymnasium berichtet: „Wir machen Unterricht für unsere Oberstufen per Video. Außerdem bekommen die Schüler Aufgaben über die Plattform Teams zugeschickt.“ Das Kollegium mache in der Krise „einen super Job“. Die Schüler des Gerlinger Robert-Bosch-Gymnasiums lernen klassisch mit Arbeitsblättern. „Einige Lehrer haben Erklärvideos gedreht und die Freischaltcodes für Youtube dazu vergeben. Die unfreiwillige Corona-Selbstlernzeit ist den Pädagogen übrigens zuvorgekommen: Die wollten sich nach den Osterferien mit dem Thema „digitalisierte Schule“ beschäftigen.

Erstaunt über die Produktivität

Am Gymnasium Korntal-Münchingen stellen die Lehrer – je nach digitalen Möglichkeiten – morgens um 8 Uhr Materialien für die Fächer zur Verfügung, die am betreffenden Tag anstehen. Die Schüler müssen sie verpflichtend erledigen, die dem Stundenplan folgende Rhythmisierung wird ausdrücklich als sehr hilfreich empfunden, so die Erfahrung. Und die Strohgäuschule nutzt unter anderem eine App mit Aufgaben, interaktiven Übungen und Lernspielen, deren Erledigung die Lehrer von zuhause überprüfen können.

Frank Ziegner, der Mathelehrer der Robert-Franck-Schule, schätzt – gerade am Unterrichten per Videokonferenz – die Möglichkeit der Interaktion. Und darüber, wie seine Schüler sich beteiligen, ist er voll des Lobes: „Sie waren selbst ganz erstaunt darüber, wie produktiv wir sind.“