Einige Apotheker und Friseure in Stuttgart haben Plastikvisiere zur Abdeckung des Gesichtes anstatt Masken verwendet. Das städtische Ordnungsamt hatte diese Gesichtsschilder erst genehmigt. Das Land hat diese Erlaubnis aber kassiert: es besteht auf die Masken, die Nase und Mund vollständig bedecken.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart -

 

Einige Händler in der Stadt hatten sich schon gefreut: Sie hatten sich zu Beginn der Corona-Verordnung zur Maskenpflicht Schutzvisiere aus Plastik für das Gesicht besorgt. „Ich komme mit der Mund-Nase-Maske nicht sehr gut zurecht“, sagt Julia Graser, Inhaberin der Schwanen-Apotheke am Marktplatz. Sie könne könne mit ihr schlecht atmen, sehe die Mimik nicht und ihre Kunden verstünden sie schlecht.

Die Apothekerin hatte deshalb einige der sogenannten „Face Shields“ für sich und ihre Mitarbeiter bestellt. Sicherheitshalber habe sie beim Ordnungsamt nachgefragt, ob diese Gesichtsvisiere als Ersatz für Masken zugelassen seien. „Dort wurde mir gesagt, dies sei in Ordnung“, berichtet Graser. Die Info gab sie an die Stuttgarter City-Initiative (CIS) weiter, mehrere Einzelhändler bestellten daraufhin über sie diese Gesichtsschilder. Auch einige Friseure hatten nach der Wiedereröffnung der Salons zunächst damit gearbeitet.

Viele Händler finden die Visiere angenehmer als die Masken

Doch bereits einige Tage später gab es Post vom Sozialministerium und der IHK mit der Info, die Visiere allein seien als Schutz nicht erlaubt. Die Begründung: es seien keine geschlossenen Systeme. „Ich konnte die Bestellungen dann zum Glück wieder rückgängig machen“, sagt Graser. Die Begründung ist für die Apothekerin jedoch nicht nachvollziehbar: „Eine Maske ist doch auch kein abgeschlossenes System.“ Sie glaubt, die Schilder böten einen besseren oder zumindest gleichwertigen Schutz als beispielsweise Schals oder Stoffmasken. Zudem seien zusätzlich ja noch die Augen geschützt. Und, in Geschäften ebenso wie in ihrer Apotheke stünden die Mitarbeiter zusätzlich hinter einer Plexiglasscheibe, und man halte zusätzlich die Abstandsregeln streng ein. „Ich wundere mich schon, wer da die Entscheidungen trifft“, sagt Glaser.

Das Ordnungsamt musste die Genehmigung zurückziehen

Das städtische Ordnungsamt habe es ja auch zunächst genehmigt. Das Problem ist jedoch: Kommunen dürfen die Corona-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg zwar verschärfen, wenn es geboten ist, aber nicht abschwächen. „Ein Face Shield entspricht nicht einem Mund-Nasen-Schutz“, sagt Pascal Murmann, stellvertretender Pressesprecher des Ministeriums für Soziales und Integration. Schutzschilde seien lediglich eine Art „Spuckschutz“. „Sie eignen sich als zusätzliche Komponente der persönlichen Schutzausrüstung für Tätigkeiten, bei denen es spritzt“, ergänzt er. So verwenden auch Zahnärzte inzwischen häufig diese Visiere zusätzlich zu OP-Masken. Beim alleinigen Einsatz eines Schutzschildes fehle jedoch eine Filterwirkung der ausgeatmeten Luft, wie sie bei Gewebe gegeben sei. „Insofern ist ein Schutzschild, genauso wie auch ein Motorradhelm, nicht geeignet“, sagt Murmann, der betont: „Die Masken sollten Mund und Nase vollständig und sicher abdecken.“

Auch beim Stuttgarter Ordnungsamt verweist man inzwischen auf die Verordnung des Landes. Auch Friseure müssten während ihrer Tätigkeit an der Kundschaft eine medizinische Mund-Nase-Schutzmaske tragen. „Wenn diese nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind, dann gilt auch ausnahmsweise eine Alltagsmaske, die aber Mund und Nase bedecken muss“, sagt Martin Thronberens, Pressesprecher der Stadt Stuttgart, und betont: „Mit dem Gesichtsschild allein ist die Maskenpflicht nicht erfüllt.“

Experten sehen Gesichtsvisiere nur als zusätzlichen Schutz

Anders sieht es hingegen im nördlichen Nachbarbundesland aus. Seit diesen Montag erlaubt nämlich das hessische Sozialministerium das Tragen der „Face Shields“. Bisher hatte auch dort die Landesregierung für Einkäufe im Supermarkt, Fahrten in Bus und Bahn oder den Restaurantbesuch lediglich professionelle Masken, Alltagsmasken aus Baumwolle oder Schals und Tücher zugelassen. Inzwischen heißt es auf der Website des Ministeriums, es könnten auch „Gesichtsvisiere“ verwendet werden.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte möchte keine Auskunft darüber geben, ob die Visiere ebenfalls einen Schutz bieten. Auf seiner eigenen Seite weist das Institut nur auf die entsprechenden Unterschiede und Charakteristika von sogenannten „Community Masken“, medizinischen Gesichtsmasken und filtrierenden Halbmasken. Viele medizinische Experten raten allerdings dazu, die Gesichtsvisiere nur als zusätzlichen Schutz zu tragen – über einer Maske