In Südafrika ist eine neue Coronavirus-Variante aufgetaucht, ein Fall wurde bisher in Europa bestätigt. Die Politik hierzulande zeigt sich besorgt, erste Maßnahmen wurden ergriffen.

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Berlin - In den letzten Tagen seiner Amtszeit als Gesundheitsminister will Jens Spahn (CDU) auch kein neuer Superlativ mehr einfallen. Vor zwei Wochen hatte Lothar Wieler, Chef des Rober-Koch-Instituts (RKI), vorgelegt: In der Pandemiebekämpfung sei es „fünf nach zwölf.“ Vor einer Woche war es bei Spahn zehn nach zwölf. Und nun? „Es ist mittlerweile halb eins“, sagte Spahn. Aber die Botschaft ist auch so klar: In der Pandemiebekämpfung ist Deutschland sehr weit hinterher. „Die Lage ist ernst. So ernst, wie noch zu keinem Zeitpunkt der Pandemie.“ Spahns Mahnung zielt auf die vielen Baustellen in der Pandemie, doch am Freitag ist eine dazugekommen: die in Südafrika neu aufgetretene Virusvariante B.1.1.529.

 

Südafrika ist Virusvariantengebiet

Deutschland erklärt Südafrika ab Samstag zum Virusvariantengebiet. Das bedeutet für Reisende: Nichtdeutsche Staatsbürger dürfen nicht mehr von Südafrika nach Deutschland einreisen. Deutsche dürfen das schon, müssen allerdings in jedem Fall 14 Tage in Quarantäne, unabhängig vom Impfstatus. Wer noch am Freitag landete, für den galt diese Regelung noch nicht. „Ich kann diese Leute nur bitten, sich zuhause aufzuhalten“, sagt Spahn. Zusätzlich wird geprüft, ob auch Nachbarländer zum Virusvariantengebiet erklärt werden. Die EU-Kommission schlägt den Mitgliedsländern außerdem vor, den Flugverkehr nach Südafrika ganz auszusetzen. Die Lufthansa meldete, dass sie die Flugverbindungen nach Südafrika vorerst aufrecht hält, etwa um Menschen nach Hause zu bringen. Am Freitagnachmittag wurde dann auch der erste Fall der südafrikanischen Virusvariante in Europa bekannt: In Belgien wurde eine Infektion nachgewiesen.

Die Virusvariante bereitet Sorgen

Wie gefährlich das Virus ist, ist noch weitgehend unklar. Aber Expertinnen und Experten befürchten, dass die Variante B.1.1.529 wegen vieler Mutationen an entscheidenden Stellen des Virus besonders hoch ansteckend sein und es Impfdurchbrüche geben könnte. „Wir sind tatsächlich in großer Sorge“, sagte RKI-Chef Wieler. Wirkt sich die neue Variante auch auf die Maßnahmen aus?

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Von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP war dazu am Freitag nichts zu hören, was über die ohnehin beschlossenen Maßnahmen hinausgeht. „Wir nehmen die Berichte über die Virusvariante B.1.1.529 sehr ernst“, sagte Christine Aschenberg-Dugnus, Gesundheitsexpertin der FDP. Es sei richtig, den Flugverkehr nach Südafrika einzuschränken. Maria Klein-Schmeink von den Grünen sagte, man werde sich genau anschauen, ob über die bestehenden Regelungen hinaus „noch zusätzlicher gesetzlicher Anpassungsbedarf besteht“.

Die Ampel-Parteien wollen sich noch Zeit lassen

Zu weitergehenden Maßnahmen hört man von den Ampelparteien bisher wenig. Man wolle sich zehn Tage Zeit geben, um zu sehen, ob man bei Booster-Impfungen und Schutzmaßnahmen weit genug gekommen sei, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock vor kurzem nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Danach werde analysiert, ob es weitere Maßnahmen brauche. Das wäre Ende kommender Woche. Eine lange Zeit in einer grassierenden Pandemie.

Liebäugeln mit dem Lockdown

In Bayern sind in der Hälfte der Landkreise und größeren Städte die Intensivplätze knapp. Die Bundeswehr startete nun Hilfsflüge, um sechs Covid-19-Patienten nach Nordrhein-Westfalen zu verlegen, insgesamt 50 Corona-Erkrankte aus Bayern sollen verlegt werden. In Sachsen sind 350 Bundeswehr-Soldatinnen und -Soldaten im Einsatz, um bei der Kontaktnachverfolgung und in Krankenhäusern zu helfen.

Bundesgesundheitsminister Spahn tritt indes für stärkere Kontaktbeschränkungen ein: 2G plus soll durchgesetzt, Großveranstaltungen abgesagt werden. Und zumindest regional solle es „ein weitestgehendes Zurückfahren des öffentlichen Lebens“ geben. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert eine „einheitliche Bundesnotbremse“. Und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will einen „umfangreicheren Instrumentenkasten“. Das klingt zwischen den Zeilen nach Lockdown.