Die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus nimmt zu, die Probleme mit dem Schutz scheinen das ebenfalls zu tun. Hausärzte fühlen sich schlecht informiert und auch die Opposition nutzt den Landtag als Forum für ihre Kritik am Gesundheitssystem.

Stuttgart - Mit der schnell steigenden Zahl von neuen Infektionen mit dem Coronavirus müssen sich Landesregierung und Gesundheitsbehörden auch gegen zunehmende Kritik zur Wehr setzen. Nach Ansicht der Opposition legt der Umgang mit dem neuartigen Coronavirus Schwächen des Gesundheitssystems in Baden-Württemberg offen.

 

Die Zahl der bestätigten Infektionen ist inzwischen in Baden-Württemberg auf 44 gestiegen. Die drei jüngsten Fälle stammen nach Auskunft des Gesundheitsministeriums vom Mittwoch aus Freiburg, es gebe zudem einen vergleichsweise milden Fall im Bodenseekreis und drei weitere in Ulm. Die meisten neu infizierten Patienten waren zuletzt aus einem Urlaub in Südtirol zurückgekehrt. Offiziell ist diese Region noch kein Risikogebiet. Zu den neuen Fällen gehören auch ein zwölfjähriger Junge und ein etwa gleichaltriges Mädchen.

Im Südwesten war die erste Infektion mit dem Virus am 25. Februar bestätigt worden. Es handelte sich um einen 25-Jährigen aus dem Landkreis Göppingen, der sich zuvor in Italien aufgehalten hatte. Nach den Worten von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) zeigen die Patienten im Südwesten bislang milde Krankheitsverläufe.

Lucha mahnte im Landtag noch einmal zur Besonnenheit. „Unsere Strategie lautet grundsätzlich: höchste Aufmerksamkeit, höchste Achtsamkeit, aber kein Alarmismus.“

Stoch übt Kritik

Zur besseren Betreuung mutmaßlicher Patienten und besorgter Menschen will das Land die bereits existierenden rund 84 Notfallpraxen für den Umgang mit dem Coronavirus ausrüsten. Sie sollen rund um die Uhr als Anlaufstelle für erkrankte Menschen und Verdachtsfälle dienen. In mehreren Landkreisen ist dies bereits der Fall, andere sollen nachziehen. Um die medizinische Betreuung zu gewährleisten, will die Landesärztekammer zudem pensionierte Ärzte anschreiben. Ziel ist es, möglichst viele Mediziner im Ruhestand zu reaktivieren. Die Kammer gebe den Pool von theoretisch zusätzlich einsatzfähigen Ärzten mit rund 7000 an, sagte Lucha.

Der Landeshausärzteverband zeigte sich allerdings skeptisch: „Das wird sicher der eine oder andere machen“, sagte Verbandssprecher Manfred King. „Aber das Land muss auch die logistischen Fragen klären. Wo zum Beispiel werden diese ehemaligen Ärzte eingesetzt? Sie haben ja ihre Praxen verkauft oder an den Nachfolger vergeben.“ Verbandsmitglieder hätten sich zudem beklagt, sie hätten keine Schutzmasken mehr zur Hand, es seien auch auf eigene Kosten keine mehr zu erhalten.

„Wir merken, an manchen Stellen ist unser Gesundheitssystem nicht optimal aufgestellt“, kritisierte auch der SPD-Fraktionschef Andreas Stoch im Landtag. Zu denken geben solle etwa, wenn Arztpraxen schon jetzt fragten, was sie tun sollten, wenn ihnen die Schutzkleidung ausgehe. Manche europäische Nachbarländer hätten auch ein leistungsfähigeres Netz an Infektionsstationen in Kliniken.

Hotlines überlastet

Auch die Hotline des Landesgesundheitsamtes sowie vieler örtlicher Gesundheitsämter sind angesichts der Anrufe besorgter möglicher Patienten überlastet.

Auf den Zeitplan der milliardenschweren Opernsanierung könnte sich das Virus ebenfalls auswirken. Zumindest wird das für diesen Freitag geplante Bürgerforum zur milliardenteuren Sanierung des Stuttgarter Opernhauses auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Grund: zahlreiche Teilnehmer haben Angst vor dem Coronavirus und meiden Gruppenversammlungen. „Es hat sich fast die Hälfte der 40 zufällig ausgewählten Bürger für das Forum wegen Krankheit oder aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Virus abgemeldet“, sagte ein Sprecher der Landesregierung.

Nach den Plänen von Stadt und Land könnten die Sanierung der Oper und der Bau eines Übergangsgebäudes mehr als eine Milliarde Euro kosten. Ziel des nun verlegten Forums war es eigentlich, der Politik eine Empfehlung zur Sanierung ohne bindende Wirkung zu übergeben.