Aus dieser Nummer kam er nicht raus: Am Rathaus wollte OB Frank Nopper keine Regenbogenfahne hissen – genau diese Farben hat ihm Ballettstar Eric Gauthier als Kapitänsbinde im Theaterhaus übergestreift. Heftigen Applaus gab’s für diesen Coup.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Capitano von Gauthier Dance ist er, ein großer Fußballfan noch dazu: Ballettstar Eric Gauthier betrat bei der Premiere von „Swan Lakes“ am Donnerstagabend die Bühne des Theaterhauses mit einem bunten Symbol am Arm – mit Neuers berühmter Rainbow-Kapitänsbinde! Der CDU-Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann hat viele Exemplare davon für eine Initiative in den sozialen Medien an hiesige Promis verteilt.

 

„Wir hatten natürlich auch im OB-Büro angefragt, ob sich Frank Nopper bei unserer Aktion zum EM-Spiel beteiligt“, so der Bundestagsabgeordnete. Doch Kaufmann fing sich eine Abfuhr ein. Das Stadtoberhaupt wollte – anders als etwa Kammersängerin Helene Schneiderman, Modesignerin Lissi Fritzenschaft, Jungwinzer Thomas Diehl oder SEMF-Veranstalter Deniz Keser – nicht mitmachen, so wenig, wie er eine Rainbow-Flagge am Rathaus hissen wollte, weshalb nun Feuer unterm Dach des Gemeinderats ist. Die Rede ist von einem „Imageschaden“ für Stuttgart.

Im Publikum saß auch der frühere OB Fritz Kuhn

Auf seine gewohnt charmante Art hat Publikumsliebling Eric Gauthier den OB, der mit Frau Gudrun Nopper bei der Premiere von vier neuen „Schwanensee“-Versionen in der ersten Reihe saß, überrumpelt. „Ich hab gehört, Frank, du hast für den CSD eine Rainbow-Flagge fürs Rathaus bestellt“, hob der Chef der Theaterhaus-Kompanie spitzbübisch an, „in der Zwischenzeit kannst du meine Binde tragen.“

Sprach’s, zog seine regenbogenbunte Neuer-Binde ab, um sie direkt an der Bühne dem OB überzustreifen. Dieser widersetzte sich nicht, sondern strahlte. Das Premierenpublikum – 240 Gäste durften mit einem der drei G-Nachweise mit Maske und Abstand im Saal sitzen – applaudierte. Unter den Gästen gesehen: Ex-OB Fritz Kuhn (Grüne), Kulturbürgermeister Fabian Mayer (CDU), Künstler Tim Bengel, Jochen Sandig, Chef der Ludwigsburger Schlossfestspiele, Ballettlegende Georgette Tsinguirides.

Besitzt das Rathaus gar keine Rainbow-Flagge?

„Voll krass“ fand Gauthier, dass Nopper die Binde den gesamten Abend über trug. „Er hat sie mit nach Hause genommen“, berichtet er. Der Ballettstar war mit seinem Ensemble im Glück: Seit Oktober war kein Auftritt vor Publikum mehr möglich. „Das fühlt sich phänomenal an“, schwärmt der Tanzchef, quasi wie neugeboren.

Ist womöglich doch was dran, dass die Stadtverwaltung, wie in der Rede des Choreografen ironisch vermutet, erst noch eine Rainbow-Flagge bestellen muss? Ein Insider berichtet, dass die Fahnen, die stets zum CSD am Rathaus hängen, dem Stuttgarter CSD-Verein gehören und von Privatpersonen bezahlt worden seien. „Insofern konnte OB Nopper zum EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn keine Fahnen aufhängen lassen, da die Stadt gar keine hat“, berichtet er, „auch diese Tatsache sagt einiges aus.“

Monika Hirschle präsentiert Thaddäus Troll im Freien

Die Kultur meldet sich in Stuttgart zurück – die Freude darüber ist groß. Die Schauspielbühnen, die bis zum 29. Juni das Alte Schauspielhaus abends in den Regenbogenfarben erstrahlen lassen, etwa laden zum „Theatersommer in den Pfarrgarten“ ein, zum „kleinen Mittsommernachtstraum“, wie Sprecherin Annette Weinmann sagt. An neun Abenden gibt’s im lauschigen Garten der Kirche St. Theresia in Weilimdorf buntes Programm. Gäste bringen ihren Sitzplatz mit. Den Auftakt macht Schauspielerin Monika Hirschle am 1. Juli um 20 Uhr mit dem Solo-Programm „О Heimatland!“ mit Texten von Thaddäus Troll.

Friedrichsbau meldet sich im Schloss-Innenhof zurück

Das Friedrichsbau-Varieté lädt zum Comeback fürs Livepublikum ebenfalls zum Open Air ein: Dafür geht’s vom Pragsattel runter in die City, mitten hinein in den idyllischen Innenhof des Alten Schlosses: Am 8. Juli, 20 Uhr, präsentiert Evi Niessner unter freiem Himmel, also dort, wo die Jazz Open für großartige Konzertmomente sorgen, ihre Edith-Piaf-Show „La Nuit de Paris“.

Dolicia Paris singt auf dem Neckarbesen

Bereits am Freitagabend hat die Französin Dolicia Paris mit der Band Mimmo and Friends ihre Rückkehr auf die Bühne nach acht Monaten Konzertpause gefeiert – bei der italienischen Nacht auf dem Floß des Neckar Käpt’n. „So großartig ist es“, schwärmt sie, „man glaubt noch gar nicht, dass es wieder möglich ist.“ Furchtbar nervös sei sie, aber sie fühlt sich ein bisschen an die Liebe erinnert: „Leidenschaft, die Feuer hat, bleibt – sie verlernt man nicht.“

Witziger Video-Appell: Kauft Karten!

Zum Neustart haben sich 63 Künstlerinnen und Künstler mit einem witzigen Video-Aufruf unter #kaufkarten gemeldet. Wie beim „Lockdown-Medley“stecken Helge Thun und die Reimpatrouille dahinter. Ihr Appell ans vermisste Publikum: Karten für Livekultur kaufen, aber dalli, dalli: „Tu’s nicht für Dich, wir haben’s nötig!“ Aber sehr gern doch! Wenn man obendrein OB ist, bekommt man vielleicht sogar noch eine Rainbow-Binde geschenkt. Es lebe die Vielfalt!