Patientenverfügungen sind dazu da, Behandlungswünsche festzuhalten – doch hilft das im Falle einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus? Und: Ist es nötig, die Verfügung aus Sorge vor den Folgen einer Beatmung zu ändern?

Stuttgart - Die Berichte aus Kliniken mit Patienten, die schwer an der Lungenkrankheit Covid-19 erkrankt sind, bereiten ihm Sorgen: 76 Jahre ist der Mann alt, der in diesem Artikel Peter Gabler heißt, seit einigen Jahren an Diabetes erkrankt – und damit zu dem Kreis, den das Robert-Koch-Institut als „Risikogruppe“ bezeichnet, gehört. Für ihn ist klar: Infiziert er sich mit dem neuartigen Virus und erkrankt dann so schwer, dass er beatmet werden muss, soll dieser Zustand nicht von Dauer sein: Denn schon die künstliche Beatmung allein könne bei vorgeschädigten Menschen wie ihm schwerwiegende Spuren hinterlassen, glaubt Gabler.

 

Deshalb möchte Gabler nun seine Patientenverfügung ändern. „Kann es im Hinblick auf die tatsächlichen Risiken, die mit künstlicher Beatmung für vorgeschädigte Menschen meines Alters einhergehen, nicht empfehlenswert sein, Beatmung – sei sie nun noninvasiv oder invasiv – auf einen Zeitraum von 14 Tagen zu beschränken und das weitere Vorgehen auf eine angemessene palliative Versorgung zu begrenzen?“, fragt er. Schließlich seien doch Patientenverfügungen dazu da, eigene Behandlungswünsche für verschiedene Lebens- und Krankheitssituationen festzulegen, wie etwa die Sterbephase, das Endstadium einer zum Tode führenden Erkrankung, eine dauerhafte Bewusstlosigkeit oder eine Demenzerkrankung.

Beatmung für die Behandlung oft überlebensnotwendig

Dem stimmt auch Christian Wunder zu, Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Robert-Bosch-Krankenhaus. „Eine Patientenverfügung ist – unabhängig von Covid-19 – für den Patienten und die Beachtung seines Willens, für die Angehörigen und für die behandelnden Ärzte sehr hilfreich.“ Doch er warnt davor, aus Sorge vor einer beschwerlichen Therapie im Falle einer Covid-19-Erkrankung, das Dokument zu ändern. „Patienten mit Covid-19, die längere Zeit maschinell beatmet werden müssen, zeigen im Röntgenbild oft Veränderungen des Lungengewebes, welche wahrscheinlich teilweise auch auf die Beatmung zurückzuführen sind“, sagt Wunder. Jedoch sei diese Beatmung für die Behandlung bei einem schweren Verlauf überlebensnotwendig.

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Denn Betroffene weisen oft Einschränkungen der Lungenfunktion auf: Sie haben Probleme beim Luftholen oder Abhusten, zudem ist der Gasaustausch gestört. Das Blut kann in der Lunge schlecht Sauerstoff aufnehmen, gleichzeitig gelingt es nicht mehr, das Kohlendioxid auszuatmen. „Die Störungen des Gasaustausches werden, je nach Grad der Einschränkung, mittels Sauerstoffnasenbrille oder Maske, Maskenbeatmung bis hin zur Intubation und maschineller Beatmung behandelt“, sagt Wunder. „Die Indikation zur Intubation und maschineller Beatmung wird nicht leichtfertig gestellt, dafür gibt es klare Kriterien.“

Hinzu komme, dass noch völlig ungeklärt sei, ob und in welchem Zeitraum diese Veränderungen wieder abheilen, warnt der Experte Wunder. „Wir stehen noch am Anfang dieser Pandemie.“