Von Pathos keine Spur: Die Cowboy Junkies geben im Ludwigsburger Scala ein traumhaft entschleunigtes Rock-Konzert.

Stuttgart -

 

Before I do some Rock‘ n Roll I always like to sit down“ – Margo Timmins, die Sängerin der Cowboy Junkies, sagt dies auf einem Live-Album, das vor mehr als zwanzig Jahren aufgenommen wurde. Nichts könnte die Musik der Cowboy Junkies besser charakterisieren, ihren ruhigen, eindringlichen Ton, die Spannung, die auf jeder Note liegt. Auch im Ludwigsburger Scala setzt Margo Timmins sich auf einen Hocker, schlägt die Beine übereinander, erhebt sich, trinkt auf der Bühne eine Tasse Tee und geht zwischen ihren Begleitern umher.

Michael Timmins, Margos älterer Bruder, beugt sich dabei regungslos über die Gitarre, nur sein Knie wippt im Takt, seine Finger verschieben sich auf dem Griffbrett. Peter Timmins, ihr jüngerer Bruder, sitzt zurückgelehnt am Schlagzeug, lässt seine Stöcke wirbeln und unterlegt die reduzierte Musik mit trockenen, drängenden Schlägen. Der Bassist Alan Anton ist der einzige, der steht. Dafür regt sich in seinem Gesicht kein Muskel, während er seine Riffs in Zeitlupe spielt. Im Hintergrund sitzt Jeff Bird, Multiinstrumentalist, kein reguläres Mitglied der Cowboy Junkies, aber ihr Begleiter von Anfang an. Bird spielt Percussioninstrumente, vor allem aber die Mandoline, die Mundharmonika, oft stark mit Effekten belegt. Er steuert nahezu alle Soli bei – ein Mann am Horizont, der von außen eintritt in das Gespinst, an dem die Cowboy Junkies weben, eine lakonische Umkehrung jedes Rock-Pathos auch dies: Seine Mandoline stiehlt mancher E-Gitarre die Schau.

Mit herzzerreißender Bitternis

Die Cowboy Junkies wurden 1988 berühmt mit ihrem Album „The Trinity Session“, aufgenommen in einer Kirche, ein Statement in einer Zeit, in der die Musik nur noch lauter wurde, ein Meisterwerk der Entschleunigung bis heute. Mit „All that Reckonning“, ihrem jüngsten Album, erfand sich die Band aus Toronto neu. Zwar sind sie noch ganz da, die sparsame Schwere des Klangs, das unterschwellige Fieber, Margo Timmins unverwechselbare Stimme, das Leiden an Zeit und Welt, die Schönheit – aber an die Stelle der Melancholie tritt nun oft Bitternis, schneidend, herzzerreißend. „Welcome to the Age of Dissolution, to the Days of Death and Anger“ singt Margo Timmins oder: „You can control Hate, but only for so long.“

Und Margo Timmins, einst nachtschwarzes Haar, nun schlohweiß, lehnt am Mikrofonständer, lässt den Kopf sinken, richtet sich wieder auf. Die Cowboy Junkies kehren zurück zu „Sweet Jane“, ihrer Interpretation eines Lou-Reed-Songs, zu dem Woody Harrelson und Juliette Lewis einst durch die Wüste rasten in Oliver Stones Film „Natural Born Killers“; sie spielen ein langes Akustik-Set, drei Stücke aus „Lay it Down“, ihrem großartigen Album von 1996, sie spielen, für einen Freund im Publikum, Neil Youngs „Don‘t let it bring you down“ und schließlich auch David Bowies „Five Years“: ein Konzert wie ein Traum, der unvergesslich bleibt.