Coworking in Stuttgart Hier werden Laptop-Einzelkämpfer zu Kollegen

Im Coworking-Büro im Stuttgarter Westen kann sich jeder einen Schreibtisch mieten und dort arbeiten. Hier treffen Menschen mit ganz unterschiedlichen Berufswegen aufeinander. Kann das funktionieren?
Stuttgart - Langweilig wird es Frauke Rahlfs bei der Arbeit fast nie. Die Webentwicklerin sitzt an ihrem Arbeitsplatz und blickt gebannt auf den Bildschirm ihres Computers. Dann geht die Bürotür auf, eine Wissenschaftsjournalistin tritt ein und setzt sich an den hellen Schreibtisch neben ihr.
Es dauert nicht lange und die beiden Frauen kommen ins Gespräch, sie fachsimpeln gemeinsam über das rote Getränk des Mannes am Tisch gegenüber. Der ist Informatiker und hat einen Smoothie dabei. Die Farbe kommt von Johannisbeeren, klärt er die beiden Frauen auf. Eigentlich eine ganz normale Szene unter Kollegen – doch die drei sind weder Kollegen, noch im gleichen Unternehmen beschäftigt.
Sie sind sogenannte Coworker, das heißt, sie arbeiten nicht zu Hause, sondern in einem Gemeinschaftsbüro mit anderen Freiberuflern zusammen. In dem Großraumbüro von „Coworking0711“ im Stuttgarter Westen können sich Menschen tage- oder monatsweise einmieten und ihrer eigenen Arbeit nachgehen. Ab 30 Euro pro Tag gibt es dort einen Schreibtisch. Im Preis enthalten: Strom, Internet, Drucker, Fax und Getränke.
Alte Hasen beobachten
Was als Trend vor rund 20 Jahren in den USA begann, setzt sich seit etwa zehn Jahren auch in Deutschland immer mehr durch. Ein Grund dafür ist nicht nur, dass sich viele außerhalb der eigenen Wohnung besser konzentrieren können, sondern dass sie im Gemeinschaftsbüro auch berufliche und private Kontakte knüpfen.
Genau diese Kontakte haben Rahlfs am Anfang ihrer Selbstständigkeit geholfen: „Als Neue war es total hilfreich, die alten Hasen beobachten zu können“, berichtet sie. Dabei sei sie zu Beginn noch schüchtern gewesen, überhaupt in das fremde Büro zu gehen. Mittlerweile fühlt sie sich pudelwohl, kommt jeden Tag und kennt hier jeden. Sie ist sogar Teil des Coworking0711-Teams geworden, betreut andere Coworker, führt Neulinge herum, organisiert ein Sommerfest und kümmert sich um Dinge wie die Geschirrspülmaschine oder den Klopapier-Vorrat.
Von der Hausfrau zur Unternehmerin
Es ist die Aufgabenvielfalt und die Freiheit, die Rahlfs an der Selbstständigkeit schätzt. „Ich war unzufrieden“, sagt sie über die Zeit davor. Sie arbeitete als Programmiererin in einer Agentur, war ein kleines Rädchen im großen Uhrwerk. Sie wollte mehr und das ging nur als Selbstständige.
Heute übernimmt sie alle Aufgaben von Kundenkontakt, über Design bis zur Programmierung. Und obwohl sie genau das wollte, musste sie in die neue Rolle hineinwachsen: „Ich war zwar selbstständig, konnte mich aber noch nicht damit identifizieren, dass ich ein Unternehmen bin.“ Die anderen Coworker haben ihr geholfen, zum Beispiel bei bürokratischen Fragen, aber auch in menschlicher Hinsicht. Sie könne heute viel selbstbewusster auftreten, sagt Rahlfs.
Berufsstart mit richterlicher Ausnahmegenehmigung
Auch der selbstständige Informatiker Thomas (Name von der Redaktion geändert) hat im Coworking-Büro Antworten auf berufliche und private Fragen gefunden. Die Arbeit als Selbstständiger kennt der 40-Jährige schon seit er 16 Jahre alt ist. Damals brauchte er für den Gewerbeschein eine richterliche Ausnahmegenehmigung, um nach der Schule Spiele und Anwendungen zu entwickeln, mit denen er sein Taschengeld aufbesserte. Seitdem arbeitet er selbstständig und hatte viele Jobs und Projekte in Deutschland, Österreich und Italien.
Dann kam der Zusammenbruch. „Ich habe definitiv zu viel gemacht und hatte einen Monat nur geistige Leere vor mir“, sagt Thomas. Seitdem habe er gelernt, mehr auf sich zu achten und arbeitet jetzt anders. Im Coworking-Büro hat er seinen eigenen Schreibtisch und sucht sich die Projekte, an denen er arbeitet aus: „Ich lasse mich da nicht von Geld diktieren und wenn die Sonne scheint, gehe ich raus.“
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