Cro: Neues Album „trip“ Ein Blick hinter die Maske

Cro hat sein vielleicht letztes Album vorgelegt – ein Doppelalbum, das gegensätzlicher kaum sein könnte. Foto: Universal

Das neue Doppelalbum von Cro, „trip“, begeistert und enttäuscht zugleich. Cro schafft es zwar, sich neu zu erfinden, am Ende versteckt er sich jedoch hinter durchschaubaren, erwartbaren Songs.

Stuttgart - Inzwischen haben es alle kapiert. Cro lebt auf Bali, in einem schmucken Haus, verbringt seine Tage weitgehend ohne Textil und Verantwortung. Er hängt ab, macht Musik, fährt mit dem Roller durch die Gegend, schaut sich Sonnenuntergänge an, macht Musik. Mit 31 Jahren hat er sich auf einen verfrühten Alterssitz zurückgezogen.

 

Große Veränderungen hat er angekündigt, melodramatisch überinszeniert vergangenes Jahr, als er seine Maske werbewirksam zu Grabe trug. Große Veränderungen geistern auch jetzt wieder durch die Medien. Dieses Album, heißt es, könnte sein letztes sein, ein „Schlussstrich“. Das wäre sehr früh, das wäre sehr schade. Letzteres aber nur zum Teil.

Wieder ein Schlussstrich?

Schon das mutige letzte Album „tru.“, sein drittes, markierte eine Abkehr von seinem lieblichen Raop. Von jener radiofreundlichen Mischung aus Pop und FSK-6-Rap, mit dem der Rapper eher unfreiwillig zum Kinderstar wurde und Songs wie „Easy“ vor einem immer jüngeren Publikum aufführen musste. „tru.“ war aber nicht nur mutig, es war immer noch ziemlich erfolgreich und etablierte Cro abseits seiner Platinformel.

Das ist fast vier Jahre her. Jetzt legt Carlo Waibel mit „trip“ ein Doppelalbum vor, bei dem man sich am besten die zweite Seite zuerst anhören sollte. Nicht nur weil sie den Namen „trip“ trägt und somit als eigentliches Herzstück gelten darf, sondern weil sie einen vollkommen anderen Cro zeigt. „trip“ ist cool. Ein lässiges, berauschtes Album, das flirrende Sommerhitze atmet, nach kühlen Schirmchendrinks an faulen Poolnachmittagen klingt und die psychedelischen Sechziger treffend interpretiert.

Wie eine Neuinterpretation der Sechziger

Die kaskadierenden Songs glitzern in der Sonne wie der ferne Wellenkamm, atmen die heiße Luft, die die Menschen an der Westküste der USA ab 1966 elektrisierte. Sie klingen wie das gute Leben, der ewige Sommer, die bittersüße Leichtigkeit des Seins von Jefferson Airplane, den Byrds oder Crosby, Stills & Nash, ein endlos geflochtener Jam, in sich selbst und den Stränden Balis versunken. Loops, Hall, Gesang wie aus weiter Ferne, das alles noch auf Deutsch getextet – so gut, so sehr bei sich klang Cro noch nie, fast schon eine Antwort auf Tame Impala ist das.

Aber da ist eben immer noch der erste Teil des Doppelalbums. Der Teil, der das Ganze relativiert. Fest steht: Ohne den ersten Part „SOLO“ wäre „trip“ das radikale Freischwimmen gewesen, ein hinreißendes, verwunschenes Stück Musik. So bleibt die experimentelle Psych-Pop-Spielwiese nichts als ein netter Zusatz zu einem konformen, generischen Album, auf dem er dann doch überwiegend wieder in alte Gewohnheiten verfällt. Als wäre sich Cro bei „trip“ irgendwann dann doch nicht mehr so sicher gewesen. So ganz ohne Hits.

Album voller Gegensätze – gefeaturt von Capital Bra und Shindy

Der beste Texter war Waibel noch nie. Auf „trip“ fällt das nicht auf, die mantrahaften Satzfetzen und Reminiszenzen an die Beatles und Jimi Hendrix passen zum spontanen Charakter der Songs. Auf „SOLO“ kann man es aber gar nicht überhören. Wenn er in „Nice!“ dann aber rappt „was für eine Zeit, ich fühl mich, als ob jeden Tag die Sonne scheint“, kann man schon mal resignierend den Kopf schütteln. Noch ein Grund, der gegen den ersten Teil des Doppelalbums spricht.

Sicher, Cro versucht sich auch auf „SOLO“ an neuen Strömungen, experimentiert mit Funk, mit Daft-Punk-Elektronik. Der ganze erste Akt raubt „trip“ aber einerseits die Glaubwürdigkeit; und andererseits den großen Auftritt. Am besten also, da wiederholen wir uns gern, man hört die zweite Platte als erste. Oder einfach nur die zweite Platte. Dann verpasst man zwar die Features mit Capital Bra, Shindy und Teesy. Aber die braucht man nicht.

Melancholischer Abschied

Der Abschluss von „trip“, orakelnd mit „Letzter Song“ betitelt, zeigt dann wieder eindringlich, dass dieses Rap-Game längst nicht mehr das ist, worin er sich wohlfühlt. Melancholisch geht es in den Sonnenuntergang von Bali, Nostalgie schwebt wie eine Abendbrise über dem Strand, Cro singt von Abschieden und neuen Anfängen.

„Ich weiß nicht mehr, wie du riechst“, so beginnt der Song, nicht dramatisierend, eher bedauernd.

Eine lakonische Melodie trägt uns aus dem vielleicht letzten Cro-Song, den wir je zu hören bekommen werden. Musik machen müsste er schon lang nicht mehr, sein Vermögen wird auf sieben Millionen Euro geschätzt. Auf Bali kann man es damit eine ganze Weile aushalten. Ein persönliches, innig empfundenes Werk wie „trip“ wird da zum Statement für mehr Selbstbestimmung, für einen Ausweg aus der Einbahnstraße. Warum er das Ganze mit „SOLO“ torpediert, bleibt ein balinesisches Geheimnis.

Cro in vier Stationen

Entdeckung

Aufgespürt wurde Cro schon vor dem durchschlagenden Erfolg seiner ersten Single „Easy“: Der Rapper Kaas von den Orsons bekam Cros erstes Mixtape „Meine Musik“ in die Hände und war ziemlich angetan von dem damals 21-Jährigen. Wenige Monate später unterzeichnet Cro dann beim Orsons-Label Chimperator.

Höhenrausch

Der große Erfolg kommt praktisch über Nacht: Am 23. November 2011 ist seine erste Single „Easy“ auf Youtube zu sehen. Jan Delay teilt den Clip mit der Bemerkung, dass es sich hier um die Zukunft des Deutschrap handelt – und behält recht: Bis heute verzeichnet die Nummer über 64 Millionen Klicks und 500 000 Verkäufe. Alles ohne Refrain!

Intimität

Cro ist der jüngste Künstler, der jemals bei der legendären MTV-Unplugged-Reihe mitgemacht hat. Im Mai 2015 gibt der damals 25-Jährige ein Konzert im Ludwigsburger Scala, bei dem er sich unter anderen die Orsons, Max Herre und die Prinzen auf die Bühne einlädt. Das dazugehörige Live-Album erreicht, wie all seine anderen Platten, die Spitze der Charts.

Album

Das Doppelalbum „ trip“ (Urban/Universal Music) ist am Freitag, 30. April, erschienen.

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