Crosby, Stills & Nash begeistern in der Porsche-Arena mit handgemachtem Westcoast-Rock.

Stuttgart - Einen der größten Hits im Repertoire so zu platzieren wie Crosby, Stills & Nash es in der bestens gefüllten Porsche-Arena mit „Marrakesh Express“ taten: das muss man sich erst mal leisten können (und wollen). Die rund sechstausend Zuschauer haben sich noch gar nicht richtig eingegroovt auf den Abend mit den drei Gallionsfiguren der Westcoast-Musik, da erklingt (nach dem Auftakt mit „Carry on / Questions“) bereits dieser Evergreen von 1969 – und zieht in knapp drei Minuten relativ wirkungslos am Publikum vorbei. Eine dramaturgische Fehlleistung also? Nur auf den ersten Blick, denn dieser Akt enthält eine so bescheidene wie selbstbewusste Botschaft: „Leute, das ist schon ein hübsches Lied“, scheint das Trio damit en passant mitzuteilen – „aber wir haben doch jede Menge stärkere Titel im Programm!“.

 

Wie wahr, denn in den folgenden zweieinhalb Stunden erinnern CS&N nachdrücklich daran, wie weit sie den reinen Sing-a-long-Folk der späten sechziger Jahre seither hinter sich gelassen haben. Herzstück dieser Entwicklung: „Cathedral“, die 1977 formulierte Antwort auf den englischen Art-Rock der siebziger Jahre – und mit seinen komplexen Gitarrenstrukturen und Keyboardkaskaden auch der Höhepunkt eines Konzerts, das ganz die Schule klassischer Musizierkunst demonstrierte. Kein Bühnenschnickschnack, eine nicht üppiger als nötig dimensionierte Lightshow: nach wie vor genügt CS&N eine vitale Gruppendynamik und die Kraft ihrer drei Kehlen für ein prächtiges Konzert.

Generationsübergreifende Protestlieder

Dass die Weltveränderungs-Hymne „Chicago“ (von Graham Nash am Piano mit stupender Dynamik angetrieben) oder der quirlige Hippie-Klassiker „Teach your Children“ als generationsübergreifende Protestlieder auch heute noch funktionieren, wissen die Woodstock-Veteranen längst. Umso mehr darf im Herbst ihrer Karriere die Musik sprechen. Eine exzellente Band (akzentuiert und akkurat: der Drummer Russ Kunkel; top, aber tendenziell unterfordert: der englische Gitarrist Shane Fontayne) legt ein breites Soundfundament, auf dessen Basis sich Crosby, Stills & Nash ganz ihren Saitendialogen und den prachtvoll verzahnten Paar- und Satzgesängen widmen können. Und das in bemerkenswerter Harmonie – vorbei sind die Zeiten, als man nicht nur mit-, sondern auch mal gegeneinander spielte. In der Porsche-Arena sieht man drei Musiker, die ohne persönliche Eitelkeiten ihr Lebenswerk aufarbeiten und dem jeweils anderen seine Momente im Rampenlicht gönnen können: der schlichte Folksong „Myself“ gehört Graham Nash fast allein, Crosby glänzt in „Somebody home“ mit filigranem Fingerpicking auf der akustischen Gitarre, Stills bekommt die meisten Saitenparts und den größten Bewegungsradius.

Die Fragen der Vergangenheit – wer ist der beste Gitarrist, wer hat die schönste Stimme? – sind schon lange ausdiskutiert oder interessieren schlicht nicht mehr. Die Antworten sind ohnehin offensichtlich. Mit weichem Timbre setzt Crosby vokal die feinsten Akzente und besetzt mit würdevoller Silbermähne und zurückhaltenden Geste die Rolle des Elder Statesmen. Deutlich theatralischer die Körper- und Gesangssprache von Nash, während Stephen Stills vokal die rustikale Schule verkörpert. Gleichwohl fällt ihm anno 2015 die Rolle als Primus inter pares zu. Mit erdigen bis raumgreifenden Riffs von Blues bis Rock sowie altersgelassen und fingerfertigen Soli demonstriert er seinen Status als Ausnahmegitarrist und sorgt dafür, dass Bandklassiker wie „Wooden Ships“ oder „Almost cut my Hair“ zupackender als in den Studioversionen erklingen.

Zusammen haben CS&N mittlerweile 217 Lebensjahre auf dem Buckel, und grob überschlagen 150 Jahre Bühnenerfahrung. Was sich da so alles ansammelt an musikalischer Klasse: das war in der Porsche-Arena eindrucksvoll nachzuhören.