Ein Golfturnier der etwas anderen Art: Beim Rebstock Crossgolf Open schlagen die Teams ihre Bälle über Zäune, Gras, Tartanbahn und Kopfsteinpflaster. Statt Löcher sind Gummienten, Weinflaschen oder eine Kloschüssel das Ziel.

Wo steckt er nur? Irgendwo hier im Gebüsch muss er gelandet sein. Drei Mitglieder des sechsköpfigen Damen-Teams „Schmiede-Mädels“, das sich nach einem Bistro im Fellbacher Oberdorf (Rems-Murr-Kreis) benannt hat, kruschteln im üppigen Grün hinter dem Sportzentrum Loop. Das Ganze erinnert ein bisschen an die Suche nach der Nadel im Heuhaufen – allerdings wird hier ein gerade mal 13 Gramm schwerer Golfball vermisst, der bei einem beherzten Schlag zu weit geflogen und verschwunden ist.

 

„Pass auf, da sind Brombeeren“, warnt eine Golferin die andere. Rita steht derweil unter einem Baum im Schatten und wartet auf ihre Mitspielerinnen, die sich trotz der Dornen die Laune nicht verderben lassen. „Crossgolfen macht einfach Spaß“, sagt die Fellbacherin: „Wir machen einen Ausflug und verbringen zusammen einen schönen Tag.“ Dass das Team „Schmiede-Mädels“ beim Rebstock Crossgolf Open mitmacht und eine Gruppe – ein Golf Flight – bildet, hat Tradition. „Wir waren bisher fast jedes Mal dabei.“ Rita hat schon einen zweiten und einen dritten Platz geschafft. „Einen Sieger hatten wir beim Turnier bisher zwar noch nie, aber wohl am meisten Spaß.“

Udo Wente war bisher bei jedem der inzwischen zwölf Crossgolf-Turniere rund um das Sportzentrum Loop dabei. Zum Spielen ist er jedoch nie gekommen. Als Chef der Geschäftsstelle des SV Fellbach hat er ein Auge darauf, dass beim Turnier alles rund läuft. Die 15 Bahnen für die Crossgolfer – zwei davon sind im Innenbereich – haben die Golffellas aus Stuttgart aufgebaut. Abwechslung ist das A und O: Gespielt wird auf Beton, Gras oder Kopfsteinpflaster, auf der Tartanbahn, aus der Weitsprunggrube heraus und auf einem der Beachvolleyball-Felder.

Der Golfball muss eine Kloschüssel treffen

Mal müssen die Frauen und Männer den kleinen Ball mit den vielen Dellen in einen Koffer bugsieren, der geöffnet auf der Tartanbahn steht. Mal ist es ihre Aufgabe, den Ball von einem Nachbargrundstück aus über einen hohen Zaun zu hieven. Das zu erreichende Ziel ist in diesem Fall eine weiße Kloschüssel, die vor dem Sportzentrum steht.

„Zum Turnier kann wirklich jeder kommen und sich ausprobieren. Es braucht keine Platzreife und wir stellen die Schläger kostenlos zur Verfügung“, sagt Olaf Kirstein von den Golffellas aus Stuttgart. Die Interessengemeinschaft hat 2010 ihr erstes Turnier in Spiegelberg veranstaltet, wo die Crossgolfer Bekannte haben. Es war ein Erfolg. Zwei Jahre später kam Udo Wente auf die Crossgolfer zu, weil er die Sportart interessant fand und eine Möglichkeit suchte, Geld für die durch den Landkreis führende Tour Ginkgo zu sammeln. Seitdem gibt es jedes Jahr ein Turnier, dessen Erlös die Golffellas komplett für die Jugendarbeit des Sportvereins spenden.

Die nächste Crossgolf-EM findet in Straßburg statt

Rastislav „Rasti“ Dominik von den Golffellas betreut eine Gruppe, die sich über eine Dating-Plattform getroffen hat. Im Moment versuchen die Männer und Frauen, den Ball aus der mit Sand gefüllten Weitsprunggrube heraus und zum Ziel, eine am Boden stehende Weinflasche, zu bugsieren. „Der große Vorteil bei Crossgolf ist, dass du Leute an den Ball kriegst, die noch nie Golf gespielt haben“, sagt er. Seit sechs Jahren gehört er zur Nationalmannschaft und kommt ganz schön herum. „Da kommt man in Ecken, die man als Touri nie sehen würde“, schwärmt er. Und freut sich auf die Europameisterschaft, die im September in Straßburg stattfindet.

Anfangs seien mehr Teilnehmer von weit her gekommen, sagt Udo Wente etwas wehmütig, zum Beispiel aus Köln, München oder der Schweiz. Inzwischen stamme der Großteil aus Fellbach und der Region. Olaf Kirstein schätzt das am Rebstock Crossgolf Open: „Das macht es besonders, weil da nicht die üblichen Verdächtigen unterwegs sind.“

Ob von nah oder fern – eines haben Crossgolfer nach Erfahrung der beiden stets gemeinsam: Sie sind entspannt und gut gelaunt. Den typischen Crossgolfer und die typische Crossgolferin gebe es nicht, berichtet Olaf Kirstein: „Das ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen zwischen 20 und Mitte 60, vom Arbeitslosen bis zum Oberarzt.“ Auch klassische Golfer gehen seiner Erfahrung nach bisweilen fremd: „Die finden es gut, dass es bei uns nicht so streng zugeht und man auch mal Scheiße rufen darf.“

Crossgolf – ein abwechslungsreicher Sport

Crossgolf
Der Sport ist eine Variante des klassischen Golf und soll in Schottland entstanden sein, wo Schäfer querfeldein mit ihrem Schäferstock und einem Stein spielten und ihre Ziele selbst wählten. Crossgolf wird überall außer auf dem klassischen Golfplatz gespielt – zum Beispiel auf Schulhöfen oder industriellen Brachflächen. Ziele können Mülleimer, Baumstämme oder mitgebrachte Gegenstände wie ein Koffer sein.

Ausrüstung
Fürs Crossgolfen braucht es weder eine Platzreife noch Unterricht oder einen Golfplatz. Benötigt werden ein Siebener-Eisen und spezielle, 13 Gramm leichte Bälle aus Hartschaumstoffgummi-Gemisch, die keine Schäden verursachen.