Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Es gibt Großverdiener, auch in der Leichtathletik. Ein Usain Bolt zum Beispiel. Der jamaikanische Supersprinter kommt laut Rangliste des „Forbes“ auf 18,6 Millionen Euro pro Jahr – soviel wie Deutschlands best verdienender Sportler, der Basketballer Dirk Nowitzki (siehe auch „Jahreslohn 84,3 Millionen Euro“). Es sind einige Auserwählte an der Spitze einer Pyramide der Vermögensverteilung im Sport. Dazu kommen noch ein paar, die von ihrem Sport ordentlich bis gut oder sehr gut leben können. Und dann gibt es die Masse, zu der Sven Knipphals gehört. Das Hochleistungsprekariat des Milliarden-Spektakels Sport, wenn man so will.

 

Mit knapp 140 Millionen Euro im Jahr subventioniert der Staat zurzeit den deutschen Spitzensport. Das Geld wird an die Fachverbände verteilt, die damit ihre hauptamtlichen Mitarbeiter wie Trainer sowie Maßnahmen für die Athleten bezahlen. Die Sportler selbst bekommen nichts. Das Gros ist deshalb auf das Sozialamt des deutschen Sports angewiesen: die existenziell wichtige Stiftung Deutsche Sporthilfe, die Athleten mit bis zu 800 Euro im Monat unterstützt. Dazu gibt es noch Stellen bei der Bundespolizei oder die Option als Sportsoldat bei der Bundeswehr. Für Knipphals kam das nicht infrage: „Ich habe aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigert.“

Für die wenigsten der geschätzt 4000 olympischen Spitzensportler jenseits des Fußballs gibt es einen Markt. Förderung privater Sponsoren ist eher Mäzenatentum, weil es keinen Gegenwert gibt, zumindest, wenn man den Werbeeffekt gegenrechnet. Die meisten Sportarten haben keine oder kaum TV-Präsenz sowie eine geringe Abdeckung in anderen Medien wie Zeitungen, so dass auch dort die Sponsorenlogos selten zu sehen sind. Sven Knipphals ist vergleichsweise oft im Fernsehen, zuletzt bei der EM in Zürich. Doch die TV-Minuten bringen ihm bei der Sponsorenakquise nichts, weil er dort, wie das bei Großereignissen eben üblich ist, im Nationaltrikot angetreten ist – und auf denen präsentiert der Verband seine Geldgeber.

In den meisten Sportarten gibt es Probleme

Bei Olympischen Spielen sitzen Millionen Menschen in Deutschland vor dem Fernseher, und manchmal fragen sie sich, wo eigentlich die Deutschen so sind, wenn zum Beispiel in der Leichtathletik die Medaillen auf der Bahn vergeben werden. Das böse Wort vom „Olympia-Touristen“ macht dann gerne die Runde und die Frage, warum „unsere“ Sportler so schlecht sind.

Auch in Rio 2016 wird das wieder so sein, nicht nur in der Leichtathletik, in den meisten Sportarten gibt es Probleme. Die Olympiasieger von Rio werden schon seit zwei Jahren gemacht. Es ist eine vierjährige Aufbauphase von Olympia zu Olympia. In diesem Zeitraum, genannt Olympiade, entscheidet sich alles. Wenn es 2016 hier oder dort Enttäuschungen gibt, dann haben die auch ihre Ursachen im Vorfeld.

Mit Crowdfunding auf dem Weg nach Rio

Gunter Gabriel hat 1974 das Klagelied des deutschen Spitzensports geschrieben. „Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld!“, heißt es, es ist der inoffizielle Soundtrack des Sports. Knipphals geht deshalb neue Wege, um sich besser auf die Olympischen Spiele in Rio vorbereiten zu können: Er hat eine Crowdfunding-Plattform ins Netz gestellt (www.sven-knipphals-crowdfunding.de).

„Crowdfunding“ bedeutet, Geld für ein Projekt einzusammeln, und je nach Finanzierungsmodell gibt es im Erfolgsfall eine Beteiligung der Spender, oder, wie bei Sven Knipphals, im Gegenzug zum Beispiel eine signierte Autogrammkarte (20 Euro), eine Trainingsstunde (120 Euro) oder ein persönliches Treffen (480 Euro) – das übrigens „eignet sich hervorragend für Firmenevents, Seminare oder Weihnachtsfeiern“, wie es auf seiner Homepage heißt. Ein paar Hundert Euro sind bisher zusammen gekommen, die ihm helfen sollen, sein Potenzial ausschöpfen zu können. Konstant unter 10,10 Sekunden will er laufen, sich vielleicht sogar an die 10,0 herantasten.

Spitzensport kostet viel Geld. „Für 6500 Euro kann ich ein 21-tägiges Trainingslager in den USA mit meinem Trainer absolvieren.“ Oder: „Für 2000 Euro kann ich ein zehntägiges Trainingslager auf Teneriffa mit meinem Trainer absolvieren.“ Und: „Für 500 Euro erhalte ich meine Jahresration an Nahrungsergänzungsmitteln.“ Das sind 9000 Euro, verdient hat er nichts.

Der (wie alle Sportverbände) vom Staat subventionierte Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) finanziert dem A-Kader-Athleten zwei Trainingslager im Jahr, aktuell ist er auf dem DLV-Ticket in Südafrika, dazu zahlt der Verband zweimal die Woche die Physiotherapie, zusätzlich nötige Einheiten auf der Massagebank, und alles andere muss er aus eigener Tasche bezahlen. Für die Teilnahme an Großereignissen wie der EM in Zürich im Sommer, wo er mit der Sprintstaffel Silber gewann, muss Knipphals Urlaub nehmen.

Die 60-Stunden-Woche für die duale Karriere

Spitzensportler ist ein Vollzeitjob. Laut einer Umfrage haben deutsche Athleten im Schnitt eine 60-Stunden-Woche, weil sie Beruf (oder Studium) und Sport vereinbaren müssen. Sven Knipphals hat sich wie viele für die duale Karriere entschieden, weil nur diese eine Perspektive nach der im Normalfall nur wenige Jahre andauernden Sportlaufbahn bietet. Er studierte in England Chiropraktik.

Das Leben als arbeitender Hochleistungssportler setzt ein exzellentes Zeitmanagement voraus. Knipphals trainiert neben dem Beruf in der Woche um die 20 Stunden, verteilt auf acht bis zehn Einheiten. Dazu kommt unter anderem noch mehrmals die Woche Physiotherapie. „Ich gehe um acht aus dem Haus und komme um 22.30 Uhr heim“, sagt er. Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. 2010 hat er letztmals Urlaub gemacht, ein verlängertes Wochenende in Paris. Im Sommer 2012 hatte er einen Hörsturz, eine Stressreaktion seines Körpers auf die große Belastung.

Wer wie der Niedersachse die 100 Meter in 10,20 Sekunden laufen kann, wird nie einen großen Titel gewinnen, aber wer diese Zeit laufen kann, ist ohne jeden Zweifel trotzdem ein Hochbegabter, eine Ausnahmeerscheinung. Ihm geht es auch um Respekt: „Wir bringen in Deutschland saubere, glaubwürdige Leistungen. Das wollen doch alle“, sagt er: „Honoriert wird das nicht.“

Großverdiener sind nur die Spitze der Pyramide

Es gibt Großverdiener, auch in der Leichtathletik. Ein Usain Bolt zum Beispiel. Der jamaikanische Supersprinter kommt laut Rangliste des „Forbes“ auf 18,6 Millionen Euro pro Jahr – soviel wie Deutschlands best verdienender Sportler, der Basketballer Dirk Nowitzki (siehe auch „Jahreslohn 84,3 Millionen Euro“). Es sind einige Auserwählte an der Spitze einer Pyramide der Vermögensverteilung im Sport. Dazu kommen noch ein paar, die von ihrem Sport ordentlich bis gut oder sehr gut leben können. Und dann gibt es die Masse, zu der Sven Knipphals gehört. Das Hochleistungsprekariat des Milliarden-Spektakels Sport, wenn man so will.

Mit knapp 140 Millionen Euro im Jahr subventioniert der Staat zurzeit den deutschen Spitzensport. Das Geld wird an die Fachverbände verteilt, die damit ihre hauptamtlichen Mitarbeiter wie Trainer sowie Maßnahmen für die Athleten bezahlen. Die Sportler selbst bekommen nichts. Das Gros ist deshalb auf das Sozialamt des deutschen Sports angewiesen: die existenziell wichtige Stiftung Deutsche Sporthilfe, die Athleten mit bis zu 800 Euro im Monat unterstützt. Dazu gibt es noch Stellen bei der Bundespolizei oder die Option als Sportsoldat bei der Bundeswehr. Für Knipphals kam das nicht infrage: „Ich habe aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigert.“

Für die wenigsten der geschätzt 4000 olympischen Spitzensportler jenseits des Fußballs gibt es einen Markt. Förderung privater Sponsoren ist eher Mäzenatentum, weil es keinen Gegenwert gibt, zumindest, wenn man den Werbeeffekt gegenrechnet. Die meisten Sportarten haben keine oder kaum TV-Präsenz sowie eine geringe Abdeckung in anderen Medien wie Zeitungen, so dass auch dort die Sponsorenlogos selten zu sehen sind. Sven Knipphals ist vergleichsweise oft im Fernsehen, zuletzt bei der EM in Zürich. Doch die TV-Minuten bringen ihm bei der Sponsorenakquise nichts, weil er dort, wie das bei Großereignissen eben üblich ist, im Nationaltrikot angetreten ist – und auf denen präsentiert der Verband seine Geldgeber.

In den meisten Sportarten gibt es Probleme

Bei Olympischen Spielen sitzen Millionen Menschen in Deutschland vor dem Fernseher, und manchmal fragen sie sich, wo eigentlich die Deutschen so sind, wenn zum Beispiel in der Leichtathletik die Medaillen auf der Bahn vergeben werden. Das böse Wort vom „Olympia-Touristen“ macht dann gerne die Runde und die Frage, warum „unsere“ Sportler so schlecht sind.

Auch in Rio 2016 wird das wieder so sein, nicht nur in der Leichtathletik, in den meisten Sportarten gibt es Probleme. Die Olympiasieger von Rio werden schon seit zwei Jahren gemacht. Es ist eine vierjährige Aufbauphase von Olympia zu Olympia. In diesem Zeitraum, genannt Olympiade, entscheidet sich alles. Wenn es 2016 hier oder dort Enttäuschungen gibt, dann haben die auch ihre Ursachen im Vorfeld.

Zum Beispiel, weil es an Geld für die optimale Vorbereitung fehlt und viele Athleten ihre Trainingseinheiten um den Brotberuf oder das Studium drapieren müssen statt sich ganz auf den sportlichen Höhepunkt konzentrieren zu können.

Es gibt zweifellos Menschen in diesem Land, die ein schlimmeres Schicksal ereilt hat als Spitzensportler. Niemand hat Sven Knipphals gezwungen, Leistungssport zu betreiben. Er hat sich freiwillig für diesen Weg entschieden, in dem Wissen, dass dieser Weg steinig und schwer ist. Er muss nicht hungern, und ein Dach hat er auch über dem Kopf. Sven Knipphals jammert deshalb auch nicht. Er gibt nur eine Zustandsbeschreibung, ohne Groll, ohne Wut.

Debatte zur Zukunftsfähigkeit des deutschen Spitzensports

Ihm geht es um eine Debatte über die Zukunftsfähigkeit des deutschen Spitzensports. Wer Erfolge bei Großereignissen erwartet, der muss auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen. So sieht er das. Und so sehen das immer mehr Sportler. Angesichts der Professionalisierung und der steigenden Belastung gepaart mit einem bleibenden Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag bleiben vielleicht irgendwann die Sportler aus. „So gibt es in 25 Jahren nur noch Fußballer“, sagt Knipphals.

Der IOC-Präsident Thomas Bach hat mal gesagt: „Wenn jemand Leistungssportler wird, um durch einen Olympiasieg ausgesorgt zu haben, würde ich ihm – flapsig gesprochen – eher empfehlen, zur Lotto-Annahmestelle zu gehen.“ Bach ist ein Befürworter des auf Nachhaltigkeit angelegten deutschen Systems der dualen Karriere, das grundsätzlich auch im Sinne der Athleten ist, denen es auch nicht darum geht, nach dem Sport ausgesorgt zu haben, die aber ernsthafte Existenzängste plagen. Robert Harting, einer der schärfsten Systemkritiker des deutschen Sports und ein Besserverdiener der Leichtathleten, hat deshalb jetzt die Deutsche Sportlotterie gegründet, mit deren Einnahmen Athleten gefördert werden sollen.

In Wolfsburg gibt es dank VW ziemlich viel Geld, für den Fußball beim VfL. Sven Knipphals sagt: „Die Firmen wollen lieber der 100. Sponsor beim Fußball sein. Dabei könnte man mit einem Bruchteil der Summen im Fußball bei uns viel bewegen.“