Bunt, laut und fröhlich: Hunderttausende haben am Samstag in Stuttgart beim Christopher Street Day gefeiert. Doch bei der Veranstaltung geht es nicht nur um Party.
Der CSD ist wieder mit all seiner Faszination und Fröhlichkeit auf die Straßen Stuttgarts zurückgekehrt. Ohne Corona-Beschränkungen feierte die Community am Samstag in der Innenstadt die Parade. Die Polizei sprach von mehreren Hunderttausend Zuschauerinnen und Zuschauern, die entlang der Route mitfeierten. 25 000 Teilnehmende waren angemeldeter. Wer zum Start des Zuges um 15.30 Uhr am Erwin-Schoettle-Platz wollte, musste sich zu Fuß auf den Weg machen - die U-Bahnen waren schon von 13:30 Uhr an am Charlottenplatz überfüllt.
Bunt, laut und fröhlich. Unter der Paulinenbrücke war am Samstagnachmittag kaum noch ein Platz. Kein Wunder, denn hier stand man im Schatten und hatte doch einen tollen Blick auf die Parade, um die Performance der 100 Gruppen zu verfolgen.
Yannick Wilkendorf, Erzieher aus Stuttgart, war mit einer Gruppe von 20 Leuten hier. Sie hatten sich bei einem Brunch auf das Ereignis eingestimmt. Er trug Shorts und ein T-Shirt in einem Dschungel-Pagageien-Look und Glitzer im Gesicht. Bunt eben. „Außerhalb des CSD ist es immer noch schwer, sich in diesem Look zu präsentieren. Überhaupt darf für unsere Community schon noch ein bisschen mehr gehen“, sagte er und verwies darauf, dass das Spektakel rotz Partystimmung auch ein ernstes Anliegen hat.
Protest gegen Homophobie
Der Druck durch homo- und transfeindliche Gruppierungen nimmt bekanntlich zu, queere Menschen sind oft Opfer von Hass und Gewalt. „Dagegen wollen wir friedlich demonstrieren“, sagte Wilkendorf und warf einen Blick auf die ersten Gruppen, die eintrafen.
Mehrere Zehntausend Menschen verfolgten das bunte Spektakel im Zeichen des Regenbogens. Der riesige Tross bewegte sich entlang der Strecke vom Erwin-Schoettle-Platz über die Böblinger Straße, vorbei am Marienplatz und entlang der Tübinger Straße bis zur Planie. Angeführt wurde er von einer Gruppe aus der Ukraine.
Alles war erlaubt. Die Menschen wollten sich anders als an Karneval nicht verkleiden, sondern sich ausleben. Viele trugen Regenbogenflaggen um die Schultern, andere der LGBTIQ-Community hatten bis auf Netzstrümpfe und Bikini relativ wenig an. Drag-Queens bekamen besonders viel Applaus und auch eine junge Frau, die sexy in schwarz gekleidet war mit riesigen Engelsflügeln in Regenbogenfarben, stach aus der Menge hervor.
Publikum tanzt zu Techno-Beats
Die Umzugsgruppen zeigten sich so divers wie die Gesellschaft: Mit Abseitz war ein lesbisch-schwuler Sportverein dabei, Mercedes warb mit dem Slogan „Jeder anders - alle gleich“, die lesbischen Wirtschaftsweiber, sowie fast alle Parteien des Gemeinderats waren mit eigenen Trucks oder eigenen Fußgruppen dabei, erstmals auch der Stuttgarter CDU-Kreisverband. Das Publikum an der Strecke tanzte zu Dance-Floor, Techno und Latino-Rhythmen, die aus den Boxen der Wagen wummerten.
Aber es gab auch viele Botschaften von den Zuschauern auf der Straße. „Love will win“stand auf einem Plakat und „Protect trans kids. Free mums hugs“. Am Samstagabend werden die drei besten Formationen prämiert, die für ihre Leistungen für Vielfalt, Akzeptanz und Gleichberechtigung besonders herausragende Leistungen gezeigt haben.
Das diesjährige Gremium besteht aus Bärbel Mohrmann, Chefin des Weindorfs, Beatrice Olgun-Lichtenberg von der Gleichstellungsstelle der Stadt, die Grünen-Politikerin Brigitte Loesch, Lue Bason, Rock- und Popsänger aus der Ukraine, sowie STZN-Redakteur Uwe Bogen. Bewertet werden die drei Kriterien: politische Botschaft, Kreativität und Umsetzung.
Nach wie vor Angriffe auf die Regenbogen-Community
Politisch war es auch im Anschluss an den Umzug bei der Kundgebung an der Planie, die auch in die Gebärdensprache übersetzt wurde, ging von den Rednern unisono eine Botschaft aus: Man freue sich über die „größte Parade aller Zeiten in Stuttgart“ und die LSBTTIQ-Community muss über die Landesgrenzen hinaus sichtbar werden. Aber auch in Deutschland habe man laut CSD-Sprecher Detlef Raasch noch viel Arbeit. Das zeigten jüngste Angriffe und Anfeindungen auf Menschen der Regenbogen-Community - auch in Baden-Württemberg. „Hassgewalt muss registriert werden und wir fordern die Abschaffung des Transsexuellen-Gesetzes“, sagt Raasch. Man kämpfe für Gleichberechtigung, Akzeptanz und Liebe.
Landtagspräsidentin Muhterem Aras, Schirmfrau der Pride Stuttgart, dankte, dass Stuttgart Flagge gezeigt habe. Die Parade sei stetig gewachsen und dabei immer politisch geblieben. Sie kritisierte die Entwicklung in anderen europäischen Ländern, was die Rechte der LSBTTIQ-Community angeht – in erster Linie die Machthaber in Russland, Ungarn und Rumänien.
„Putin führt einen Kulturkampf. Wir müssen deshalb die westlichen Werte verteidigen“, sagte Aras. Laura Halding-Hoppenheit, die als die Königin der lesbisch-schwulen Szene Stuttgarts gilt, warnte die junge Menschen vor dem was in den Nachbarländern passiere. „Wir wollen, dass alle Menschen lieben können, wen sie wollen. Aber dafür muss man kämpfen“, sagt die 80-Jährige. Vor der Eröffnung des Straßenfests wurde noch eine Gedenkminute angesetzt - für alle Opfer der zunehmenden Hasskriminalität.