Nach dem Sturz von Agrarminister Friedrich ist mit Christian Schmidt ein Nachfolger gefunden. Die Affäre Edathy ist damit aber keineswegs erledigt. Die Koalition steckt in der Krise, die SPD steht unter Druck.

Nach dem Sturz von Agrarminister Friedrich ist mit Christian Schmidt ein Nachfolger gefunden. Die Affäre Edathy ist damit aber keineswegs erledigt. Die Koalition steckt in der Krise, die SPD steht unter Druck.

 

Berlin/München - In der Koalitionskrise rund um den Fall Sebastian Edathy ist zwischen Union und SPD keine Annäherung in Sicht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht Klärungsbedarf in der Affäre wegen der Kinderpornografie-Ermittlungen gegen den Ex-Abgeordneten. Zu prüfen sei, ob in dem Fall jemand falsch gehandelt habe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer erwartet dringend Antworten auf ungeklärte Fragen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel verteidigte das Vorgehen seiner Partei und wies den Ruf aus der Union nach personellen Konsequenzen zurück. Die Verantwortungsträger der SPD hätten sich „nach bestem Wissen und Gewissen verhalten“. Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD wollen sich an diesem Dienstag in Berlin zu dritt zusammensetzen. Den ursprünglich geplanten ersten Koalitionsausschuss in größerer Runde sagten die Bündnispartner ab.

Nachfolger des zurückgetretenen Bundesagrarministers Hans-Peter Friedrich (CSU) ist der bisherige Entwicklungsstaatssekretär Christian Schmidt. Friedrich hatte sein Amt am Freitag wegen der Edathy-Affäre niedergelegt. Er hatte Gabriel im Oktober - damals noch als Bundesinnenminister - darüber informiert, dass Edathys Name bei Ermittlungen im Ausland aufgetaucht sei. Das hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am vorigen Donnerstag öffentlich gemacht. Friedrich wird nun Geheimnisverrat vorgeworfen. Staatsanwälte prüfen, ob sie Ermittlungen gegen ihn einleiten.

Seehofer präsentierte Schmidt als neuen Agrarminister. Neuer Entwicklungsstaatssekretär wird Unions-Fraktionsvize Thomas Silberhorn (CSU). Dessen Posten in der Fraktion soll Friedrich übernehmen.

Die Affäre hatte eine schwere Vertrauenskrise in der großen Koalition ausgelöst. Im Zentrum der Kritik steht Oppermann, der die Vorgänge öffentlich gemacht und zudem versucht hatte, vom Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, Informationen dazu zu bekommen.

Die CSU hat Oppermann bereits den Rücktritt nahegelegt. Ihr Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, Oppermann trage aus Sicht seiner Partei die politische Verantwortung. CSU-Chef Seehofer verlangte bis Ende dieser Woche Aufklärung von Oppermann über dessen Rolle in der Affäre. Eine Rücktrittsforderung an die Adresse des SPD-Politikers vermied Seehofer bislang. Ob in den kommenden Tagen „ein anderer Schalter“ bedient werden müsse, werde sich zeigen.

Kubicki (FDP) kündigt Anzeige gegen Oppermann an

FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki kündigte beim Sender n-tv an, Strafanzeige gegen Oppermann zu stellen, damit die Staatsanwaltschaft dessen Vorgehen untersuchen könne. Auch bei Ziercke wird geprüft, ob er unbefugt Dienstgeheimnisse weitergegeben hat. Im Raum steht der Vorwurf, jemand könnte Edathy wegen drohender Ermittlungen vorgewarnt haben. Das Misstrauen richtet sich vor allem gegen die SPD.

Gabriel wies das ausdrücklich zurück und sprach von abwegigen Unterstellungen. Weder er noch Oppermann oder Außenminister Frank-Walter Steinmeier hätten an Edathy oder dessen Umfeld Informationen weitergegeben. Möglicherweise seien aus Sicherheitskreisen Informationen nach außen gedrungen, mutmaßte der SPD-Vorsitzende. Er nahm Oppermann ausdrücklich in Schutz und sagte, dieser habe sich „absolut korrekt“ verhalten.

Personelle Konsequenzen oder ein anderes Entgegenkommen seiner Partei schloss Gabriel aus: „Die Frage stellt sich nicht.“ Er räumte aber ein: „Für die Koalition ist jetzt eine anstrengende Lage entstanden.“ Nach Friedrichs Rücktritt verstehe er jeden in der Union, der verärgert sei.

Merkel: "Habe volles Vertrauen in Gabriel"

Seehofer will die Vorgänge bei dem Dreier-Gespräch mit Merkel und Gabriel besprechen. Das schwarz-rote Bündnis an sich sieht der CSU-Chef nicht in Gefahr: „Es geht um die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Koalition und nicht um das Zerbrechen der Koalition.“ Merkel ließ über ihren Sprecher ausrichten, sie habe „volles Vertrauen“ in Gabriel. Auch der SPD-Chef steht in der Kritik, da er Friedrichs Hinweis an Oppermann und Steinmeier weitergab, obwohl der CSU-Minister ihn um Vertraulichkeit gebeten hatte.

Deutlich distanzierte sich die SPD-Spitze von ihrem Parteikollegen Edathy. Präsidium und Vorstand seien „entsetzt und fassungslos“ über dessen Verhalten, sagte Gabriel. Edathy soll über Jahre mehrfach Nacktfotos von Jungen bei einer kanadischen Firma bestellt haben. Unklar ist aber, ob strafbares Handeln vorliegt.

Edathy selbst kritisiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn scharf und hat nun beim niedersächsischen Justizministerium Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Behörde eingelegt. Für neue Fragen sorgt die Tatsache, dass das offizielle Schreiben der Staatsanwaltschaft über die Ermittlungen gegen Edathy unverschlossen im Büro von Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) einging, wie ein Bundestagssprecher nun bestätigte.