Bei ihrem Propaganda-Parteitag vier Wochen vor der Wahl setzt die CSU auf Kampfesmut angesichts desolater Umfragen. Markus Söder bekommt reichlich Applaus, ein anderer nur halb so viel.

München - Der Münchner Post-„Palast“ hat seinen Namen aus sichtlich verflossenen Zeiten; auch die CSU, die sich mit gut 800 Delegierten dort zum Propaganda-Parteitag versammelt, stand schon mal viel besser da als bei den 35 Prozent, die ihr jüngste Umfragen voraussagen. Dennoch: Resignation soll an diesem Samstag öffentlich nicht aufkommen, da steht die Regie davor. Eine „Jetzt-erst-recht-Stimmung“ verlangt der alte Edmund Stoiber von seiner Partei. Und: „Kämpfen! Kämpfen! Kämpfen!“ ruft nach ihm Markus Söder in die Menge – beide unter rauschendem Beifall.

 

Vier Wochen sind es noch bis zur Landtagswahl; in dieser Zeit will CSU-Spitzenkandidat und Ministerpräsident Markus Söder nur noch tun, „was Bayern nützt und nichts, was davon ablenkt.“ Aus Berlin, merkt er an, spüre er sowieso keinen Rückenwind. Horst Seehofer, Bundesinnenminister und Parteichef, kassiert den Schlag schweigend. Und vom Rest der sonst als so großartig bezeichneten CSU-Bundesriege kommt keiner ans Rednerpult: Verkehrsminister Andreas Scheuer nicht, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Digitalisierungsbeauftragte Dorothee Bär auch nicht. Irgendwie nicht vorzeigbar, im Augenblick.

Und wo die Sympathien liegen, das machen die Delegierten mit ihren Händen hörbar: Viel Zwischenapplaus spenden sie für Markus Söder und vier Minuten, stehend, nach seiner Rede. Seehofer bekommt nur zwei Minuten, und Begeisterung unterbricht ihn auch deutlich seltener.

Söder rückt klar wie nie von Rechtsaußen-Konkurrenz ab

Seehofer unterlässt es nicht, versteckt darauf hinzuweisen, welcher Ministerpräsident zuletzt den Freistaat zum „Paradies auf dieser Erde“ ausgebaut hat. Diesen Stolz lässt er sich nicht nehmen, und sein Lob an Nachfolger Söder klingt schon auch vergiftet: „Wenn man höchstes Niveau erreicht hat, ist es ungeheuer schwer, noch bessere Akzente zu setzen.“ Aber Söder, „dem Besten, was wir in Bayern haben“, sei sogar dies gelungen.

Freie Bahn also für Markus Söder, und er nützt sie, um seiner zunehmend ratlosen und deprimierten CSU etwas von ihrem alten Stolz zurückzugeben. „An meiner Kraft scheitert’s nicht“, sagt er, und die Umfragen betrachtet er als „Weckruf“ – aber weniger an seine Partei als an das bayerische Wahlvolk: „Wollt Ihr das wirklich?“, fragt Söder, zum Beispiel, dass laut Umfragen sieben Parteien in den Landtag einziehen werden, sogar die Linken, die AfD sowieso, und dass damit „Aggressivität und politische Zersplitterung“ drohen. Bayern, gut 60 Jahre ohne Unterbrechung von der CSU regiert, sei ein „Modellfall der Demokratie“, sagt Söder: „Jetzt könnte es zum Problemfall werden.“ Noch aber seien 50 Prozent der Wähler unentschieden, „noch können wir was erreichen.“

So klar wie nie rückt Söder die CSU auch von jener Rechtsaußen-Konkurrenz ab, die es nach der Doktrin von Franz Josef Strauß in Bayern gar nicht geben dürfte. Die AfD wolle das Land destabilisieren, sagt er, sie marschiere mit der NPD, mit Pegida, mit Hooligans. „Franz Josef Strauß würde sie bekämpfen, das sollten wir auch tun.“ Diesen Satz, eine überfällige Klarstellung nach Monaten der Rechts-Anbiederung, kommentieren die Delegierten mit dem längsten und lautesten Zwischenapplaus des ganzen Parteitags.

Zeit für Alleinregierung der CSU vorbei

Auch beim Ausländerkurs steuert die Söder-CSU, gedrängt von den Christlich-Konservativen der eigenen Basis, in die politische Mitte zurück: Einen Spurwechsel vom Asyl- ins Einwanderungssystem soll es zwar nicht geben, „aber mehr Offenheit und Freiheit.“ Wer sich „hier integriert hat, um ein wertvoller Bestandteil unserer Bevölkerung zu werden“, der solle seine Chance bekommen. Bayern werde darauf achten, dass „die Richtigen bleiben und die Richtigen gehen“, sagt Söder. Randalierer und Gewalttäter müssten „zurück in ihre Heimat“; man müsse „dem Rechtsstaat Geltung verschaffen.“

Söder weiß, dass für die CSU die Zeiten der Alleinregierung vorbei sind, aber die möglichen Koalitionspartner demontiert er. Die SPD sei eine „trostlose Partei“ geworden, die sich „zu einer politischen Insolvenzmasse entwickelt“. Außerdem: die SPD als Partner zu haben würde heißen, dass Bayern „durch Kommandos aus Berlin“ mitregiert würde, dass die CSU nicht mehr frei wäre und damit ihre Stärke einbüßen würde. Die FDP habe sich bei den Jamaika-Verhandlungen „vor der Verantwortung gedrückt“, sagt Söder. Wer aber in Berlin keinen Mut habe, „der darf nicht erwarten, sich an den gedeckten Tisch in Bayern setzen zu können.“

Und die Grünen? An ihnen macht sich jene Wendestimmung fest, die Politikwissenschaftler mittlerweile in Bayern durchaus diagnostizieren. In den Umfragen steigen sie als beinahe einzige Partei unaufhörlich; seit vergangener Woche liegen sie mit 17 Prozent auf Platz zwei (während die AfD auf elf Prozent zurückfällt). Die Grünen-Anhänger sprechen sich zu gut 80 Prozent für eine Koalition mit der CSU aus. Diese aber lehnt bisher ganz entschieden ab. Die Grünen seien eine „Verbotspartei“, die „uns vorschreiben will, was wir essen sollen“, die „unbegrenzte Zuwanderung“ anstrebe und die im „Autoland Bayern“ mit Fahrverboten den Diesel und den ganzen Rest „kaputtmachen“ wolle. Söder wiederholt das beim Parteitag alles, aber das „nicht“, das streicht er und sagt, eine Zusammenarbeit mit den Grünen sei „kaum“ vorstellbar.

Weitere Klarheit gibt’s nicht. Erst am 14. Oktober, sobald um 18 Uhr die Wahllokale geschlossen haben.