Der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer beansprucht in einer möglichen großen Koalition zwar drei Posten im Bundeskabinett, aber nur Alexander Dobrindt steht in seiner Gunst. Immerhin: Der CSU-Generalsekretär ist bereit.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

München - Wahlergebnisse können trügen. 95,3 Prozent für Horst Seehofer bedeuten keineswegs, dass fast alle in der CSU sich ihn als Chef wünschen würden. Vor allem jene nicht, die unter seiner Herrschaft unmittelbar zu leiden haben. Und da gibt es auch in der Riege derer, die bedeutende Ämter innehaben, nicht wenige. Seehofer versteht es, seine Gunsterweise wohl zu dosieren. „Ich lobe meine Mitarbeiter nicht jeden Tag“, sagt er in seiner Parteitagsrede. „Aber so einmal in zehn Jahren darf es sein“, spöttelt er noch.

 

Manche müssen auch vergeblich darauf warten. Zum Beispiel der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Er darf zwar in der ersten Reihe sitzen, aber Seehofer erwähnt ihn mit keinem Wort. Generalsekretär Alexander Dobrindt zählt viele auf, die sich um die Partei und um deren Wahlerfolge verdient gemacht hätten. Darunter sind auch subalterne Kräfte aus der Senioren-Union, die nicht einmal in Bayern jeder kennt. Die beiden in Berlin verbliebenen CSU-Minister kommen in seiner Lobeshymne nicht vor. Weder Friedrich noch dessen für Verkehr zuständiger Kollege Peter Ramsauer. Die zwei müssen warten, bis die Kanzlerin ihren Gastauftritt hat. Sie nimmt wenigstens Notiz von ihnen.

Ramsauer gibt unablässig Interviews

Ramsauer, den sie wegen seiner gravitätischen Auftritte auch „Zar Peter“ nennen, widerfährt immerhin gegen Ende des Parteitags ein geradezu überschwänglicher Gnadenerweis des Vorsitzenden. Seehofer bescheinigt ihm, für die „Mitberücksichtigung bayerischer Interessen“ während der Koalitionsverhandlungen „immer wieder Großes geleistet“ zu haben. Damit ist der beharrliche, wenn auch nicht immer überzeugende Einsatz für die Maut gemeint. Ramsauer gibt unablässig Interviews in dieser Angelegenheit. Als sei es der einzige Verdienst, der ihn erneut für das Bundeskabinett empfehlen könnte.

Das Thema werde im Koalitionsvertrag Niederschlag finden, versichert er trotzig, und zwar „in der Weise, wie wir das wollen“. Die Kanzlerin äußert sich viel vager – und geradezu höhnisch umständlich: „Wir werden, auch auf den Wunsch der CSU hin, an einer europarechtskonformen Lösung für eine Mitbelastung der nicht-inländischen Kraftfahrzeughalter hinarbeiten, wenn sichergestellt ist, dass kein deutscher Autofahrer stärker belastet wird.“ Wie eine verlässliche Zusage klingt das nicht. Jedenfalls lässt der Satz nicht darauf schließen, dass mit einer solchen Maut postwendend zu rechnen ist. Es könnte Ramsauers Mission werden, dafür zu sorgen, dass die „Mitbelastung nicht-inländischer Kraftfahrzeughalter“ nicht nur eine Zwischenüberschrift im Koalitionsvertrag bleibt, sondern in den kommenden vier Jahren realisiert wird.

Einer wie Seehofer vergisst das nicht

Immerhin darf der 59-jährige Oberbayer damit rechnen, dass er Minister bleibt. Ob er sein bisheriges Amt behält, weiß nur einer. Ramsauer sagt selbst: „Das überlassen wir mal dem Parteivorsitzenden.“ Zu dessen liebsten Freunden zählt er gewiss nicht. Als Seehofer vor fünf Jahren aus der Bundespolitik nach München wechselte, hatte Ramsauer ungewohnt couragiert versucht, das zu hintertreiben. Der Konflikt bewegte sich damals am Rande der körperlichen Auseinandersetzung. Einer wie Seehofer vergisst das nicht.

Als Minister war ihm Ramsauer oft zu kleinlaut, zu selten mit Großtaten in den Schlagzeilen. Im Verlauf der Koalitionsverhandlungen habe er ihn zum Teil vor großem Publikum gedemütigt, wird aus der Union berichtet. An der CSU-Spitze gilt es dennoch als nahezu ausgeschlossen, dass Ramsauer bei der Regierungsbildung „rasiert“ wird, wie es heißt. Immerhin wird der Mühlenbesitzer aus Traunstein mit solidem Ergebnis im Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden bestätigt.

Ein Kabinettsposten ist vakant

Seehofer lässt keinen Zweifel, dass er in Berlin weiterhin drei Ministerposten für die CSU beansprucht. Nachdem Ilse Aigner ins bayerische Kabinett umgezogen ist, wäre ein Kabinettsposten vakant. Gerda Hasselfeldt, die oberste der CSU-Bundestagsabgeordneten, hat keine Ambitionen auf einen Regierungsjob. Sie weiß, dass ihre Machtfülle und ihre Unabhängigkeit als Vorsitzende der Landesgruppe größer ist. Das ist kein Amt von Seehofers Gnaden.

Der Parteichef reklamiert das Agrarministerium weiter für die CSU. Zu anderen Ressorts hat er sich nicht öffentlich geäußert. Das Personaltableau einer schwarz-roten Regierung lasse sich noch nicht absehen. „Wie’s in Berlin ausgeht“, sagt Seehofer, „weiß selbst ich nicht.“

Friedrich zählt nicht zu Seehofers Spezln

Innenminister Friedrich weiß es erst recht nicht. Auch er zählt nicht zu Seehofers Spezln, agiert zudem aus der Warte des CSU-Autokraten nicht immer geschickt. Als die Ministerpräsidenten der Union, Bayern vorneweg, sich im vergangenen Jahr für ein NPD-Verbot einsetzten, verweigerte sich Friedrich. Während Seehofer den Datenschutz als populäres Thema entdeckt hat, verkämpft sich sein Minister immer noch für die Vorratsdatenspeicherung und andere Überwachungsprogramme. Auch auf die neue liberale Linie in Sachen Doppelpass will er nicht einschwenken. Immerhin hat der CSU-Chef frühzeitig im Wahlkampf eine Art Jobgarantie für den 56-jährigen Franken abgegeben. Solche Zusagen haben bei Seehofer aber eine kurze Verfallsdauer. Gewichtiger ist da schon der Umstand, dass Friedrich Vorsitzender des CSU-Bezirks Oberfranken ist, der noch an Phantomschmerzen nach dem Absturz Karl-Theodor zu Guttenbergs leidet.

Der Hoffnungsträger heißt Dobrindt

Seehofers neuer Hoffnungsträger heißt Alexander Dobrindt. Ihn lobt er auf dem Parteitag als „Architekten der Wahlerfolge“ („Ich musste mich um nichts kümmern“). An dieser Stelle unterbricht Seehofer seine Rede. Das sei nun „das letzte Mal“, dass er dem Generalsekretär danken werde. Seehofer tritt neben das Rednerpult und spendet Dobrindt Beifall. Solche Reverenzen sind sonst niemandem vergönnt. Dobrindt darf den Applaus als Beförderung zum Bundesminister verstehen. Im Agrarressort will man sich ihn mit seinen italienischen Schuhen und den engen Nadelstreifenanzügen freilich kaum vorstellen. Das müssen die künftigen Kollegen Friedrich und Ramsauer als Drohung begreifen.