Die CSU legt nach: Jetzt will sie Flüchtlinge ohne gültige Ausweispapiere an der Grenze abweisen. Doch was einfach klingt, erweist sich in der Praxis voller Tücken.

Berlin - Horst Seehofer hatte es der Kanzlerin auf dem CSU-Parteitag im November angedroht: Er werde nicht eher lockerlassen, bis dass der Bund für einen spürbaren Rückgang der Flüchtlingszahlen sorge. Inzwischen kommen zwar nicht mehr täglich 7000 oder 8000 Schutzsuchende über die Grenze, aber laut Angaben der Bundespolizei vom Mittwoch immerhin noch bis zu 4000. Allein über das Weihnachtswochenende sind fast 11 000 Menschen in Slowenien registriert worden, berichtete das dortige Innenministerium. Für die CSU ist dies Grund genug, nächste Woche auf ihrer Klausur in Kreuth neue Forderungen an den Bund zu stellen: Flüchtlinge ohne Ausweis sollen nicht mehr ins Land gelassen werden.

 

Idealtypisch läuft das an der Grenze so ab: Sobald Flüchtlinge von den österreichischen Behörden grünes Licht bekommen, passieren sie die Grenze. Auf deutscher Seite werden ihre Pässe von der Bundespolizei überprüft, Daten in das Schengen-Informationssystem Eurodat eingespeist. Es gibt allerdings viele Schutzsuchende, die ohne bundespolizeiliche Kontrolle in die Erstaufnahmeeinrichtungen gelangt sind. Damit gelten sie offiziell nicht als eingereist, denn es wird unterschieden zwischen physischer und juristischer Einreise. Würden die CSU-Pläne umgesetzt, könnten theoretisch auch Asylbegehrende, die sich bereits in Erstaufnahmeeinrichtungen befinden, von der Bundespolizei aber nicht erfasst sind, ausgewiesen werden.

Studie: 70 Prozent ohne Papiere eingereist

Das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge konnten aktuell keine Statistiken vorlegen, wie viele Flüchtlinge ohne gültigen Pass einreisen. Nach älteren Medienberichten hat allerdings eine Studie (unter Mitwirkung der Bundespolizei) ergeben, dass mehr als 70 Prozent keine Papiere haben. In diesem Zusammenhang hat es wiederholt Berichte gegeben, wonach Flüchtlinge ihre Ausweise wegwerfen. Mit erfundenen Herkunftsgeschichten wollten sie ihre Bleibeperspektive verbessern, hieß es. Deshalb haben sich Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) im November verständigt: Menschen aus sicheren Herkunftsländern, die ihre Papiere „mutwillig vernichtet oder beseitigt“ und falsche Angaben gemacht haben, sollen im Eiltempo durchs Asylverfahren geschleust werden.

Das geht der CSU offenbar nicht mehr weit genug. In der Beschlussvorlage für Kreuth wird nicht zwischen sicheren und unsicheren Herkunftsländern unterschieden. Ebenso wenig zwischen Flüchtlingen, die Ausweise „mutwillig vernichtet“ haben, und jenen, die wegen Kriegswirren ohne Papiere geflüchtet sind.

Berlin sagt Nein zu den Plänen aus München

Setzte sich die CSU durch, würde entlang der Balkanroute nach Einschätzung von Experten der Dominoeffekt einsetzen: Weist Deutschland Flüchtlinge ohne Papiere ab, ziehen Österreich und andere Länder nach. Am Ende müsste Griechenland die Menschen beherbergen, oder aber die Schutzsuchenden vertrauten sich Schleppern an. Um denen das Handwerk zu legen, müssten zwischen Österreich und Bayern an allen Übergängen Kontrollen eingeführt werden. Darauf zielte unlängst ein Vorschlag von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ab. Für die Grenzsicherung ist die Bundespolizei zuständig. Sie kann aber keine lückenlosen Kontrollen organisieren. Deswegen bot Bayern eigene Beamte zur Unterstützung an. Berlin lehnte ab – und nun erneut.